Innovative Lösungen sorgen für schnelle, reibungslose Prozesse
Herr Radmacher, welche Auswirkungen hat der Eintritt der Babyboomer-Generation in den Ruhestand auf die betriebliche Altersversorgung?
Markus Radmacher: Wenn die Babyboomer in den Ruhestand gehen, steigt der Druck auf die bAV-Verwaltungen erheblich. Mehr Menschen als je zuvor wechseln in diese neue Lebensphase. Und gerade dieser Übergang ist einer der wichtigsten und intensivsten Momente im Kontakt mit den Berechtigten. Vom ersten Schritt bis in die ersten Monate des Ruhestands wächst die Zahl der Anliegen der Neurentner spürbar. In dieser Phase ist die Interaktion am größten. Die Verwaltung wird stark beansprucht. Außerdem wächst die Zahl der Rentner stetig. Damit wird die Rentenverwaltung in Zukunft eine noch größere Rolle spielen.
Wie „digital“ sind die Babyboomer im Vergleich zu den Vorgenerationen?
Markus Radmacher: Die Babyboomer sind deutlich digitalaffiner. Smartphones, Online-Banking und Videocalls sind für viele selbstverständlich. Vor allem die anwenderfreundlichen digitalen Lösungen nutzen sie schnell und pragmatisch. Auch die Vorgeneration verwendet zunehmend digitale Angebote – zum Beispiel Tablets für die Videotelefonie mit der Familie, für Online-Bestellungen oder für Gesundheits-Apps. So wächst auch die Bereitschaft, digitale Angebote wie Portale aktiv zu nutzen und Verwaltungsprozesse online abzuwickeln.
Wie wirkt sich der Fachkräftemangel auf die Verwaltung der bAV aus?
Markus Radmacher: Viele unserer Kunden klagen über den Fachkräftemangel. Es ist nicht einfach, ausgebildete Experten für die bAV-Verwaltung am Markt zu finden. Wenn Schlüsselexperten bei Unternehmen in den Ruhestand gehen, entscheiden sich deshalb viele Unternehmen, die Verwaltung an spezialisierte Provider wie WTW auszulagern.
Welche Rolle spielen neue regulatorische Vorgaben für die bAV-Verwaltung?
Markus Radmacher: Die Verwaltung der bAV wird vor allem auch durch die zunehmende Zahl regulatorischer Anforderungen immer komplexer. Jede neue Vorschrift bedeutet zusätzlichen Aufwand. Prozesse müssen angepasst, Systeme erweitert und Mitarbeitende geschult werden. Doch damit endet es nicht. Im Hintergrund setzt sich eine „Aufwandsspirale“ in Bewegung, die oft übersehen wird.
Denn jede Regulierung erfordert nicht nur die unmittelbare Umsetzung, sondern auch die kontinuierliche Überwachung. Als externer Dienstleister muss WTW deshalb sicherstellen, dass alle Vorgaben dauerhaft eingehalten werden. Parallel dazu prüfen Kunden, Regulierungsbehörden und Wirtschaftsprüfer regelmäßig, ob die Prozesse korrekt und lückenlos dokumentiert sind. Jeder dieser Prüfungs- und Audit-Schritte bindet weitere Ressourcen.
So wächst der Aufwand auf mehreren Ebenen gleichzeitig: Anpassung, Kontrolle, Nachweisführung. Was auf den ersten Blick nach einer einmaligen Veränderung aussieht, entwickelt sich in der Praxis zu einem dauerhaften Mehraufwand.
Gleichzeitig erwarten die Berechtigten schnelle, einfache und transparente Abläufe. Hier entsteht ein Spannungsfeld. Höchste Compliance-Standards müssen erfüllt werden, ohne dass die Servicequalität leidet. Genau deshalb ist die bAV-Verwaltung heute anspruchsvoller als je zuvor.
Welche Chancen sehen Sie für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz?
Markus Radmacher: Viele KI-Basistechnologien wie Deep Learning, die Robotic Process Automation, RPA, zur Automatisierung von Geschäftsprozessen oder die durch Optical Character Recognition, OCR, gestützte Textklassifikation sind längst Teil unseres Alltags. In der Rentenverwaltung konnten wir dadurch zahlreiche Prozesse automatisieren. Das beschleunigt Abläufe und reduziert Fehler nachhaltig. Besonders deutlich zeigt sich der Nutzen bei der Steuerung von Aufträgen und Anfragen, wo KI schnelle und reibungslose Prozesse ermöglicht.
“Besonders deutlich zeigt sich der Nutzen bei der Steuerung von Aufträgen und Anfragen, wo KI schnelle und reibungslose Prozesse ermöglicht. ”
Markus Radmacher | Senior Director Outsourcing Germany
Aktuell richtet sich unser Fokus auf die Ausweitung der KI-Unterstützung. Ziel ist das ganzheitliche Management der Anfragen von Rentnern über alle Kommunikationskanäle. Gerade hier liegen große Potenziale, deshalb prüfen und testen wir derzeit gezielt verschiedene Anwendungsfelder.
Die dynamische Entwicklung der letzten zwei Jahre – etwa bei Voice Agents, die heute teilweise kaum noch von echten Personen zu unterscheiden sind – zeigt eindrucksvoll, wie rasant die Möglichkeiten wachsen. Damit erweitert sich auch der Lösungsraum für den Einsatz von KI in der bAV-Verwaltung erheblich. Es zeichnet sich klar ab, dass KI-Lösungen künftig eine Schlüsselrolle für die Transformation der bAV-Verwaltung spielen werden.
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview wurde von Claudio Thum, WTW, geführt.
Markus Radmacher ist Senior Director und Mitglied der Geschäftsleitung des Bereichs Outsourcing bei WTW in Deutschland und dort verantwortlich für den Bereich Rentenverwaltung.