Die geburtenstarken Jahrgänge – auch als Babyboomer bekannt – erreichen in der Schweiz zunehmend das Rentenalter. Allein der Jahrgang 1964, der stärkste in der Schweizer Geschichte, zählt über 112'000 Personen (siehe Mendo[1]). Mit dem Eintritt dieser Generation in den Ruhestand stehen die Pensionskassen vor erheblichen administrativen Herausforderungen. Diese Entwicklung wird durch die demografische Alterung zusätzlich verstärkt: Die Lebenserwartung steigt, während die Geburtenrate sinkt.
Zum einen steigt das Volumen an Pensionierungen deutlich an. Dies bedeutet mehr Anträge, mehr Informationsbedarf und intensivere Prüfprozesse. Zum anderen wächst die Zahl der aktiv zu verwaltenden Rentenbezüger kontinuierlich, was langfristig zu einem höheren Verwaltungsaufwand führt – etwa bei der Auszahlung von Renten, der Kommunikation mit den Destinatären oder der Bearbeitung von Änderungen und Sonderfällen.
Darüber hinaus müssen die Pensionskassen den gestiegenen Erwartungen der (zukünftigen) Rentenbezüger an die Dienstleistungsqualität gerecht werden. Deren Ansprüche orientieren sich zunehmend am Konsumentenmarkt, der den Massstab für Qualität und Umfang sowie Geschwindigkeit und Transparenz der Dienstleistungen setzt und einen hohen Grad an Individualisierung vorgibt.
Erschwerend kommt hinzu, dass diese Entwicklung zu einer Steigerung der Verwaltungskosten führt und den Druck zur Optimierung der Effizienz erhöhen wird. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie dieser Kostenanstieg begrenzt werden kann. Tatsächlich bietet künstliche Intelligenz vielversprechende Ansätze, um Automatisierung und Personalisierung (Berücksichtigung der individuellen Situation der Fragestellenden) voranzutreiben.
Die Grundlage generativer künstlicher Intelligenz (KI) ist das Lernen aus umfangreichen Datenmengen. Dabei werden typische Strukturen, Sprachmuster und Zusammenhänge erkannt und in neuronalen Netzwerken abgebildet. Auf dieser Basis kann die KI kontextgerechte Texte und Daten generieren. Diese Fähigkeit macht sie besonders geeignet für die Pensionskassenverwaltung. Relevante Datenbestände, wie beispielsweise Gesetzesoder Regulierungsgrundlagen, Standarddokumente oder Gesprächsprotokolle, lassen sich damit effizient analysieren, strukturieren und nutzen. So kann generative KI die Informationsverarbeitung deutlich beschleunigen, die Qualität verbessern sowie das Wissensmanagement nachhaltig optimieren.
Administration umfasst zahlreiche repetitive und informationsintensive Prozesse. Hier kann generative KI in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, um Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten, die Kommunikation mit den Destinatären zu verbessern und das Wissensmanagement nachhaltig zu optimieren. Typische Anwendungsbereiche der KI ergeben sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette:
Das Effizienzpotenzial bei der Versichertenbetreuung lässt sich besonders deutlich durch den Einsatz von KI-basierten Chat- und Voicebots aufzeigen. Diese Systeme ermöglichen eine sofortige und durchgängige Bearbeitung von Anfragen – unabhängig von Uhrzeit oder Verfügbarkeit menschlicher Mitarbeiter. Dadurch werden Reaktionszeiten drastisch verkürzt und Servicekapazitä- ten spürbar entlastet. Ein weiterer Effizienzvorteil ergibt sich durch die automatisierte Personalisierung: KI kann in Echtzeit auf individuelle Versichertendaten zugreifen und so gezielt passende Antworten oder Lösungen liefern – ohne zusätzlichen manuellen Aufwand. Auch die Kommunikationsform sowie die Sprache selbst (inklusive Übersetzungen und Dialektanpassungen) lassen sich dynamisch anpassen, was Rückfragen reduziert und den Bearbeitungsprozess beschleunigt.
Neben diesen operativen Vorteilen steigert die höhere Interaktionsqualität auch die Zufriedenheit der Destinatäre – was langfristig die Servicewahrnehmung positiv beeinflusst. Doch der entscheidende Mehrwert liegt in der messbaren Effizienz: niedrigere Kosten, schnellere Prozesse und skalierbare Verwaltungsdienstleistungen bei gleichbleibend hoher Qualität.
Die Bosch-Gruppe als ein international führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen mit weltweit über 400'000 Mitarbeitern zeigt sehr eindrücklich, wie man mit KI im Bereich Vorsorge und HR Mehrwert schafft. Mitar-beiter werden mit einer KI-basierten Lösung unterstützt, an welche sie ihre Fragen in natürlicher Sprache stellen können. Ein Chatbot gibt entweder direkt eine Antwort oder verweist bei speziellen Themen wie der Beruflichen Vorsorge auf die entsprechenden Informationsseiten (siehe Teckentrup/Thum (2025)[2]).
In einer Umfrage unter deutschen Verantwortlichen für die deutsche betriebliche Altersversorgung (bAV) bewerteten mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen den Einsatz von KI positiv. Sie sehen die Möglichkeit, die Dienstleistungen für die Altersversorgung schneller, qualitativ besser und effizienter zu gestalten (siehe Kühnemund/Thum (2024 [3])). Insbesondere Reporting/Datenanalyse, Wissensmanagement und Beantwortung von Anfragen sehen die bAV-Verantwortlichen als Hauptanwendungsgebiete (siehe Abbildung 1).
Top 5 Einsatzgebiete von KI in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) laut Umfrage deutscher Verantwortlicher.
Trotz dieser Vorteile gibt es viele Unternehmen, die das Thema KI nur sehr zögerlich angehen. In der oben genannten Umfrage gaben 50 % der Unternehmen an, dass sie in den nächsten zwei Jahren keine Umsetzung von KI-Projekten planen. Als Gründe dafür werden Risiken und Unsicherheiten, insbesondere bei Datenschutz und Sicherheit, Zuverlässigkeit und Compliance, sowie Kosten und Wirtschaftlichkeit genannt. Die Gründe für die zögerliche Einführung von KI dürften bei Schweizer Pensionskassen ähnlich sein.
Beim Einsatz von KI muss das Risikomanagement angepasst werden, um Risiken und Unsicherheiten zu begrenzen bzw. zu eliminieren. Dazu zählen beispielsweise Massnahmen zur Auswahl geeigneter IT- und Softwarearchitekturen, zur Verwendung von Trainingsdaten, zur Einbeziehung einer menschlichen Supervision (Human-inthe-Loop) sowie zum Einsatz zusätzlicher Kontrollwerkzeuge. Damit kann die Grundlage für die Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen geschaffen werden (siehe Albrecht et al. (2024) [4] und Thum (2024) [5]). Dadurch lässt sich auch das Risiko minimieren, dass fehlerhafte oder sachlich inkorrekte Ausgaben – sogenannte «Halluzinationen» – erzeugt werden. Diese können zu erheblichen Qualitätsdefiziten und Akzeptanzproblemen bei den Destinatären führen.
Aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts sind die Entwicklung der Kosten sowie die Wirtschaftlichkeit von KI-Lösungen für die Pensionskassenverwaltung schwer prognostizierbar. Sicherlich besteht ein Investitionsbedarf für den Aufbau und die Integration von KILösungen in bestehende Systemlandschaften sowie für das Training. Zusätzlich müssen laufende Kosten für Technologie oder Supervision in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einbezogen werden. Diesen Kosten stehen die oben beschriebenen Effizienzvorteile gegenüber. Auch wenn diese Wirtschaftlichkeitsbetrachtung je nach Pensionskasse infolge der variierenden Rahmenbedingungen unterschiedlich ausfällt, lässt sich festhalten, dass der Einsatz von KI mit zunehmendem technologischem Fortschritt rentabler wird.