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Artikel | Benefits Perspectives

Eine Einordnung des Referentenentwurfs zum BRSG II

Von Hanne Borst und Dr. Michael Karst | 14. August 2025

Einblick in den Referentenentwurf zum BRSG II: Chancen, Änderungen und Impulse für eine zukunftsfähige betriebliche Altersversorgung.
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Die gesetzliche Rentenversicherung nimmt immer mehr die Rolle einer Basisversorgung ein. Zusätzliche betriebliche oder private Altersversorgung ist zur Sicherung des Lebensstandards im Alter unerlässlich. Nur 52 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verfügen über eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung. Insbesondere in kleinen und mittleren Betrieben und bei Beschäftigten mit geringem Einkommen ist die betriebliche Altersversorgung nicht ausreichend verbreitet. Die Bundesregierung verfolgt mit dem Betriebsrentengesetz II das Ziel, dies zu ändern und den Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung zu erhöhen.

Wie ist der Referentenentwurf einzuordnen?

Insgesamt gibt es gegenüber dem Regierungsentwurf der alten Bundesregierung (vgl. Pressemitteilung) im Referentenentwurf nur sehr wenige Änderungen.

Der Referentenentwurf ist zwar insgesamt kein großer Wurf im Sinne einer „großen“ bAV-Reform, enthält aber für die betriebliche Altersversorgung viele kleinere und überwiegend sinnvolle Maßnahmen. Zu einem Durchbruch bei der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung wird er jedoch nicht führen.

Als gelungen ist am Referentenentwurf zu betrachten, dass der Wunsch, die betriebliche Altersversorgung zu verbreitern, erkennbar ist. So enthält der Referentenentwurf einige Maßnahmen zur Stärkung des Sozialpartnermodells. Dieses bietet sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer Vorteile. Arbeitgeber profitieren von reduzierten Haftungsrisiken und geringeren Verwaltungskosten, während Arbeitnehmer im Rahmen eines betrieblichen Altersversorgungssystems von einer chancenorientierten Kapitalanlage mit potenziell höheren Renditen profitieren können, da keine starren Garantien vorgegeben sind. Beispielsweise wurde im Referentenentwurf das tarifvertragliche „Einschlägigkeitserfordernis“ stark modifiziert. Sozialpartnermodelle sollen zukünftig jeweils im Rahmen der gesamten Zuständigkeit des Organisationsbereichs einer Gewerkschaft genutzt werden können, der häufig mehrere Branchen umfasst.

Sehr zu begrüßen sind auch die Vorschläge zur Verbesserung bei der Geringverdienerförderung nach § 100 EStG durch Erhöhung des maximalen Förderbetrages und des korrespondierenden Lohnsteuerfreibetrags sowie durch die lange geforderte Dynamisierung der Gehaltsgrenzen, bis zu denen diese geförderte bAV durchgeführt werden kann. Damit wird ein wichtiger Impuls für die weitere Verbreitung der arbeitgeberfinanzierten bAV gerade in diesem Bereich, in dem die Verbreitung der bAV tendenziell am geringsten ist, gesetzt. Schade ist, dass diese Regelung nun erst zum 1. Januar 2027 in Kraft treten soll.

Auch die gesetzlichen Änderungen für die Durchführungswege Pensionskasse und Pensionsfonds durch eine Reihe von Änderungen im VAG sind zu begrüßen, weil damit auch diese wichtigen Durchführungswege der bAV in Deutschland an einigen Stellen zeitgemäß fortentwickelt werden und auch dies die Verbreitung der bAV unterstützt.

Welche Änderungen gab es gegenüber dem Regierungsentwurf aus 2024?

Insgesamt gab es nur wenige Änderungen. Erwähnenswert ist, dass die im Regierungsentwurf enthaltenen Evaluierungsvorschriften nicht in den neuen Referentenentwurf übernommen wurden. Das BMAS hatte ursprünglich vor, bereits im Jahr 2028 zu untersuchen, ob das Ziel einer weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung erreicht wurde. Falls nicht, wollte die alte Bundesregierung Handlungsoptionen für den weiteren Ausbau, darunter auch die Möglichkeit der Einführung obligatorischer Betriebsrenten prüfen. Dadurch wurde implizit gesetzlich das Ende der Freiwilligkeit für die arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung angedroht.

Das BMAS wollte zudem auch die Nettorenditen bei „repräsentativen“ Einrichtungen der bAV in den mittelbaren Durchführungswegen (Pensionskassen, Pensionsfonds, Direktversicherungen und Unterstützungskassen) unter die Lupe nehmen. Ziel war es, möglichst valide Erkenntnisse über die möglichen Auswirkungen von Kosten und Risiken auf die Höhe der Versorgungsleistungen zu gewinnen. Allerdings war die sehr knappe Evaluierungsfrist von etwa drei Jahren erkennbar zu kurz, um solche Effekte bei langfristig wirkenden Altersversorgungssystemen valide erheben zu können.

Welche dringend erforderlichen Aspekte wurden nicht aufgegriffen?

Ergänzende betriebliche oder private Altersversorgung ist unerlässlich. In der betrieblichen Altersversorgung lässt sich diese für große Kollektive mit erheblichen – auch kostenseitigen - Skalen- und Effizienzeffekten umsetzen. Deshalb sollten insbesondere auch die bestehenden Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden; dazu kann der vorliegende Referentenentwurf nur ein erster Schritt sein, dem weitere folgen müssen. Exemplarisch zeigt sich dies an dem jetzt ins Gesetz aufgenommenen Opting-Out-Konzept für Entgeltumwandlungen, das zwar betriebliche (also nicht tarifvertraglich vereinbarte) Opting-Out-Lösungen zulässt, allerdings in einen praktisch kaum relevanten Anwendungsbereich: hier wäre ein wirkliches betriebliches Opting-Out-Konzept zielführend und auch dringend erforderlich.

Wünschenswert aus Sicht der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung wäre es, wenn es eine generelle gesetzliche Möglichkeit für Opting-out-Modelle gäbe und damit für die Praxis auch im Detail ggf. komplexe tarifvertragliche Abgrenzungsfragen zum Thema „Tarifüblichkeit von Entgeltregelungen“ entfielen. Soweit Entgeltansprüche tarifvertraglich geregelt sind, bliebe dann für die Einführung eines Opting-out-Systems – wie bereits bislang – allerdings weiterhin eine Öffnungsklausel für die Entgeltumwandlung in bAV im betreffenden Tarifvertrag erforderlich (vgl. § 20 Abs. 1 BetrAVG).

Da die gesetzliche Rentenversicherung immer mehr die Rolle einer Basisversorgung einnimmt, bräuchte es zudem dringend eine gemeinsame Reform von BMAS und BMF, die sowohl die betriebliche als auch die staatlich geförderte private Altersversorgung (sog. Riesterförderung) einschließt. Schädliche Kannibalisierungseffekte, wie sie der Riester-Reformgesetzentwurf der alten Ampel-Regierung vorsah, sollten vermieden werden. Es fehlt an einem Alterssicherungskonzept aus einem Guss.

Dringend wäre beispielsweise die Frage zu klären, welche Garantien erforderlich sind, um Sicherheit zu bieten, aber auch die Chancen der Kapitalmärkte nutzen zu können. Die in der betrieblichen Altersversorgung außerhalb des Sozialpartnermodells geforderten Garantieniveaus kosten erheblich Rendite und bieten nicht zwangsläufig zusätzliche Sicherheit. Ebenso liegt der Fokus der alten und der neuen Bundesregierung konzeptionell zu stark auf der Gestaltung der Ansparphase, die Ausgestaltung der mindestens ebenso wichtigen Leistungsbezugsphase wird vernachlässigt. Insoweit sprechen die statistischen Fakten eine eindeutige Sprache: Auswertungen der Daten des statistischen Bundesamts ergeben, dass 50% der heute 67-jährigen Männer und 65% der heute 65-jährigen Frauen älter als 85 Jahre alt werden. Dies wird häufig unterschätzt. Eine individuelle Finanzplanung bis zum Lebensende ist sowohl in Bezug auf Lebenserwartung als auch in Bezug auf die erwartete Rendite dem Einzelnen schwer möglich und stellt insbesondere Personen mit geringeren Alterseinkünften vor hohe Herausforderungen.

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Managing Director, Head of Retirement Germany/Austria

Head Legal | Tax | Accounting

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