Hilfreich ist eine aussagekräftige Dokumentation
In diesem Fall hatte ein Mitarbeitender eine reduzierende Neuordnung eines betrieblichen Versorgungssystems aus formellen und materiellen Gründen angegriffen. Obwohl das LAG Düsseldorf sachlich-proportionale Gründe im Sinne der Drei-Stufen-Theorie des BAG als gegeben ansah, wertete es die Neuordnung aus formellen Gründen als unwirksam, da der Arbeitgeber einen entsprechenden Beschluss des Betriebsrats nicht nachweisen konnte (LAG Düsseldorf vom 05.06.2024 - 12 Sa 506/23).
Nach Ansicht des Gerichts gibt es keine generelle Tatsachenvermutung, dass eine vom Betriebsratsvorsitzenden abgegebene Erklärung auf einem entsprechenden Beschluss des Betriebsrats beruht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da Revision zum BAG (3 AZR 147/24) eingelegt wurde.
Nach einer verschlechternden Neuordnung durch eine Betriebsvereinbarung streiten die Parteien darüber, nach welcher Versorgungsordnung sich die Betriebsrentenansprüche des Klägers richten. Der Kläger hatte vom Arbeitgeber eine betriebliche Versorgungszusage über eine Pensionskasse erhalten. Sein Arbeitsverhältnis ging danach durch Betriebsübergang auf die Beklagte über.
Die Beklagte befand sich in schlechter wirtschaftlicher Lage. Daher unterzeichneten die Geschäftsführung der Beklagten und der damalige Betriebsratsvorsitzende eine Betriebsvereinbarung, mit welcher die Versorgungsanwartschaften reduziert werden sollten.
Nachdem der Kläger vor dem Arbeitsgericht im Wesentlichen mit seinem Klagebegehren Erfolg hatte, legte die beklagte Arbeitgeberin Berufung ein. In der Berufungsinstanz stritten die Parteien darüber, ob der Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden ein wirksamer Betriebsratsbeschluss zugrunde lag. Zu dieser Frage erfolgte unter anderem eine Beweisaufnahme.
Nach Ansicht des LAG Düsseldorf lagen zwar sachlich-proportionale Gründe im Sinne der Drei-Stufen-Theorie des BAG zur Ablösung der Versorgungsordnung durch die verschlechternde Betriebsvereinbarung vor. Die Betriebsvereinbarung konnte die bestehende Versorgungsregelung jedoch aus formellen Gründen nicht rechtswirksam ablösen, weil kein wirksamer Betriebsratsbeschluss vorlag. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei unter Würdigung der Aussagen der vernommenen Zeugen und der vorgelegten Unterlagen nicht mit der erforderlichen Gewissheit festzustellen, dass es für die ablösende Betriebsvereinbarung einen wirksamen Betriebsratsbeschluss gegeben habe. Diese Unaufklärbarkeit wirke zulasten der Beklagten.
In diesem Zusammenhang stellt das LAG Düsseldorf die bisherige BAG-Rechtsprechung zu dieser Thematik dar: Das BAG ging früher von einer (jederzeit widerlegbaren) Vermutung aus, dass der Betriebsrat einen entsprechenden Beschluss gefasst habe, wenn der Betriebsratsvorsitzende für diesen eine Erklärung abgebe. Dabei handele es sich um eine gesetzliche Vermutung (§ 292 ZPO), sodass die Darlegungs- und Beweislast bei demjenigen liege, der ein unbefugtes Handeln des Betriebsratsvorsitzenden geltend mache.
Später hat der 7. Senat des BAG allerdings für das Beschlussverfahren Zweifel an dieser Rechtsauffassung geäußert. Der 1. Senat des BAG hat es dahinstehen lassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine widerlegbare Vermutung bestehe, dass die vom Betriebsratsvorsitzenden abgegebene Erklärung auf einem entsprechenden Beschluss des Betriebsrats beruhe.
Die 12. Kammer des LAG Düsseldorf ist der Ansicht, dass eine solche Tatsachenvermutung im Sinne des § 292 ZPO für die Frage des Vorliegens eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses nicht bestehe. Daraus folgt, dass es sich zulasten des Arbeitgebers auswirkt, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob ein entsprechender Beschluss des Betriebsrats vorlag.
Das LAG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es gibt damit dem BAG die Gelegenheit – fallübergreifend – klarzustellen, welche Rechtswirkungen die Unterschrift eines Betriebsratsvorsitzenden unter einer Betriebsvereinbarung hat und zu wessen Lasten die Unaufklärbarkeit in Bezug auf einen wirksamen Betriebsratsbeschluss geht.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass es für Arbeitgeber gerade bei ablösenden Betriebsvereinbarungen im Betriebsrentenrecht von überragender Bedeutung ist, zu prüfen, ob der unterschriebenen Betriebsvereinbarung ein wirksamer Betriebsratsbeschluss zugrunde liegt und dies so zu dokumentieren, dass es auch viele Jahre nach der Neuordnung noch darlegbar und beweisbar ist.