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Artikel | Benefits Perspectives

Gesetzlicher Insolvenzschutz kürzlich übernommener Versorgungsanwartschaften

LAG Köln äußert sich zu § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG

Von Dr. Felix Stern LL.M. | 26. März 2025

Das LAG Köln bekräftigt die Zweijahresfrist des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG. Es empfiehlt sich ein vertraglicher Insolvenzschutz oder der Verbleib der unverfallbaren Anwartschaft beim alten Arbeitgeber.
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Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln) hat in seinem Urteil vom 24. April 2024 in der Sache 5 Sa 457/23 entschieden: Der Pensions-Sicherungs-Verein a. G. (PSV) haftet gemäß § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) für innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Eintritt des Sicherungsfalls nach § 4 BetrAVG übertragene Versorgungszusagen bis zur Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Verfahren wird vor dem Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 3 AZR 130/24 fortgesetzt.

Insolvenz des Arbeitgebers binnen zwei Jahren nach Übernahme von Versorgungsanwartschaft

Der Kläger war zum 1. Januar 2019 aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung als Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns zu einem neuen Arbeitgeber gewechselt. Hierbei wurde vereinbart, dass der neue Arbeitgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2019 alle Anwartschaften aus den bis dahin durch den alten Arbeitgeber gegenüber dem Kläger erteilten Versorgungszusagen unverändert übernehme. Am 1. Oktober 2019 wurde sowohl über das Vermögen des alten als auch über das Vermögen des neuen Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet.

Beim Beklagten handelt es sich um den PSV, den Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für betriebliche Versorgungsanwartschaften und -ansprüche nach dem BetrAVG. Dieser hatte die Anwartschaft des Klägers nicht in voller Höhe anerkannt, da er gemäß § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG im Fall einer innerhalb von zwei Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls von einem Arbeitgeber auf den anderen übertragenen Zusagen nur insoweit hafte, dass der Übertragungswert der Zusage die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteige.

Dem hatte der Kläger unter anderem entgegengehalten, dass die Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG im Fall eines Wechsels zwischen zwei Konzernunternehmen, der zu keinen tatsächlichen Änderungen im Arbeitsverhältniss und insbesondere nicht zu einer Verbesserung der Versorgungszusage geführt habe, nicht zur Anwendung komme. Außerdem könne aufgrund der parallelen Insolvenz des alten wie des neuen Arbeitgebers nicht davon ausgegangen werden, dass die Übernahme der Versorgungszusagen im Sinne des § 7 Abs. 5 BetrAVG in missbräuchlicher Absicht erfolgt sei. Vielmehr widerspreche das vom Beklagten vertretene Ergebnis dem Schutzzweck des § 7 BetrAVG, da der Beklagte ohne die vorherige Übernahme der Versorgungszusagen die Anwartschaften des Kläger in voller Höhe hätte sichern müssen.

Dreistufiges Prüfungsschema

Das LAG leitet aus der Systematik des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG ein dreistufiges Prüfungsschema ab. Demnach ist zunächst in einem ersten Schritt zu prüfen, ob ein Sicherungsfall vorliegt, der grundsätzlich eine Einstandspflicht des PSV nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 BetrAVG begründet. Ist diese Grundregel erfüllt, ist im zweiten Schritt nach dem Vorliegen der in § 7 Abs. 5 Satz 3 HS. 1 BetrAVG geregelten Ausnahme zu fragen, nämlich ob die Zusage in den letzten beiden Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt ist und deshalb ausnahmsweise keine Einstandspflicht des PSV besteht. Schließlich ist im dritten Schritt zu prüfen, ob nach § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 BetrAVG als Ausnahme von der Ausnahme doch eine, der Höhe nach begrenzte, Einstandspflicht des PSV besteht.

Hierbei findet § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG Anwendung, wenn in den letzten beiden Jahren, vor dem Eintritt des Sicherungsfalls, der Versorgungsschuldner ausgetauscht wurde. Weitere Voraussetzungen verlangt das Gericht ausdrücklich nicht. Dies begründet das Gericht mit dem Sinn und Zweck der in § 7 Abs. 5 BetrAVG getroffenen Regelungen: Zwar habe der Gesetzgeber ein praktisches Bedürfnis für die Übertragbarkeit von Versorgungsverpflichtungen erkannt. Insbesondere solle hierzu das übertragene Betriebsrentenkapital auch beim neuen Arbeitgeber von Anfang an gegen dessen Insolvenz geschützt sein. Allerdings müsse für den PSV das Risiko einer Inanspruchnahme des gesetzlichen Insolvenzschutzes kalkulierbar sein.

Da bei Insolvenzen innerhalb von zwei Jahren nach Austausch des Versorgungsschuldners ein erhöhtes Missbrauchsrisiko bestehe, sehe § 7 Abs. 5 Satz 3 HS. 1 BetrAVG eine unwiderlegbare Vermutung für das Vorliegen eines solchen Missbrauchs der gesetzlichen Insolvenzsicherung vor, ohne dass zusätzlich auf subjektive Umstände abzustellen sei, was zu Rechtsunsicherheiten führen könne. Die einzigen und abschließenden Ausnahmen hiervon ergeben sich aus § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 BetrAVG.

Schließlich ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG eine, gegenüber der sonst geltenden Höchstgrenze nach § 7 Abs. 3 BetrAVG strengere, Begrenzung des durch den PSV zu gewährenden Insolvenzschutzes auf einen Übertragungswert in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung. Raum für eine teleologische Reduktion der Regelung sah das Gericht mangels einer planwidrigen Regelungslücke nicht. Auch der Umstand, dass sowohl über das Vermögen des alten als auch des neuen Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis, da nach der Übertragung der alte Arbeitgeber kein Versorgungsschuldner des Klägers mehr war und der Insolvenzschutz nach § 7 BetrAVG nicht auf vormalige Arbeitgeber zu erstrecken sei.

Auswirkungen auf die Praxis

Die nicht rechtskräftige Entscheidung des LAG Köln bekräftigt die Bedeutung der Zweijahresfrist nach § 7 Abs. 5 Satz 3 HS. 1 BetrAVG. Wurde in diesem Zeitraum vor der Insolvenz eines Arbeitgebers eine Zusage auf diesen übertragen, bleibt dem Arbeitnehmer nur ein in der Höhe gegenüber der sonst geltenden Höchstgrenze nach § 7 Abs. 3 BetrAVG verringerter Insolvenzschutz. Ein möglicher Lösungsansatz kann insbesondere in einer ergänzenden vertraglichen Insolvenzsicherung oder dem Verzicht auf eine Übertragung und dem Verbleib der unverfallbaren Anwartschaft beim alten Arbeitgeber liegen.

Fortsetzung des Verfahrens vor dem BAG .

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Associate Retirement Legal

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