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Artikel | Benefits Perspectives

Möglicher Ausschluss des Arbeitgeberzuschusses zur Entgeltumwandlung

Aktuelle Entscheidungen des BAG

Von Christine Bleeck | 4. Juli 2025

Laut BAG können Tarifverträge, die vor dem BRSG galten, von den Regelungen zur Entgeltumwandlung und dem Arbeitgeberzuschuss abweichen.
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Die durch das Erste Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) eingeführte Vorschrift des § 1a Abs. 1a BetrAVG regelt seit dem 1. Januar 2019 in den externen Durchführungswegen Pensionsfonds, Pensionskasse und Direktversicherung einen verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung (in Höhe von 15 Prozent des umgewandelten Entgelts, soweit der Arbeitgeber dadurch Sozialversicherungsbeiträge einspart).

In zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2022 hatte das BAG zunächst offengelassen, ob ein vor dem Inkrafttreten des BRSG abgeschlossener Tarifvertrag eine Abweichung gemäß der sogenannten. Tariföffnungsklausel (§ 19 Abs. 1 BetrAVG) von § 1a Abs. 1a BetrAVG darstellen und den Anspruch auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss ausschließen kann. Mit Urteil vom 24. August 2024 (3 AZR 286/23) sowie zwei weiteren Parallelentscheidungen vom 11. März 2025 (3 AZR 53/24 und 3 AZR 75/24) hat das BAG festgestellt, dass ein solcher Ausschluss auch durch bereits vor dem 1. Januar 2018 abgeschlossene Tarifverträge möglich ist.

Entscheidung gemäß der Grundsätze des BAG zur Auslegung von Gesetzen

In dem der führenden Entscheidung vom 24. August 2024 (3 AZR 286/23) zugrunde liegenden Fall findet auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung der seit dem 1. Januar 2009 geltende „Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachen und Bremen der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie und der IG Metall“ vom 9. Dezember 2008 (im Folgenden TV Altersversorgung) Anwendung.

Der Tarifvertrag regelt den Anspruch auf Entgeltumwandlung, durchführbar in einem der Durchführungswege der Metallrente. Den Arbeitnehmern, die Entgelt umwandeln, gewährt der Tarifvertrag einen Anspruch auf einen zusätzlichen arbeitgeberfinanzierten Altersvorsorgegrundbetrag, der zwingend für die Entgeltumwandlung zu verwenden ist. Einen Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung sieht er nicht vor.

Der Kläger wandelt seit 2019 Entgelt über den Durchführungsweg Pensionsfonds der Metallrente um und bringt dort auch den Altersvorsorgegrundbetrag ein. Mit seiner Klage verlangt er von seiner Arbeitgeberin zusätzlich die Zahlung des Arbeitgeberzuschusses gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG in Höhe von 15 Prozent des umgewandelten Entgelts und begründet dies damit, dass der TV Altersversorgung keine abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG sei, da er bereits vor Inkrafttreten des § 1a Abs. 1a BetrAVG bestanden habe.

Das BAG hat im Revisionsverfahren die Klageabweisung durch das Landesarbeitsgericht bestätigt. Nach Ansicht des BAG ergibt die Auslegung von § 19 Abs. 1 BetrAVG, dass von §1a BetrAVG abweichende Regelungen auch in vor dem Inkrafttreten des BRSG am 1. Januar 2018 geschlossenen Tarifverträgen enthalten sein können. Der hier anwendbare Tarifvertrag stellt eine solche von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrAVG dar. Dafür reicht es nach dem BAG aus, dass der Tarifvertrag eigenständig einen Anspruch auf Entgeltumwandlung ohne Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG regelt.

Die Tariföffnungsklausel des § 19 Abs. 1 BetrAVG legt das BAG nach den von ihm entwickelten Grundsätzen zur Auslegung von Gesetzen aus, nämlich nach dem Wortlaut der Norm, ihrer Systematik, ihrem Sinn und Zweck, den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Insbesondere die Gesetzesbegründung gibt danach Aufschluss über die vom Gesetzgeber als wesentlich erachteten Vorstellungen der Regelungskonzeption: Eine Auslegung, die sich über einen klar artikulierten gesetzgeberischen Willen hinwegsetzt, der auch im Wortlaut der Norm Anklang findet, greift nach dem BAG unzulässig in die Kompetenzen des Gesetzgebers ein.

Gültigkeit auch für ältere Tarifverträge

Nach der Auslegung durch das BAG erfasst der Wortlaut der Tariföffnungsklausel in § 19 Abs. 1 BetrAVG auch Tarifverträge, die bereits vor dem 1. Januar 2018 bestanden, da dort keine bestimmte zeitliche Abfolge von gesetzlicher und abweichender tariflicher Regelung vorgegeben ist. Hätte der Gesetzgeber eine eigenständige Norm für Tarifbestimmungen schaffen wollen, die von dem vom BRSG geschaffenen Anspruch auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss abweichen, hätte er dies in § 19 Abs. 1 BetrAVG klarstellen können und müssen. Das BAG begründet seine Auffassung vor allem mit der Entstehungsgeschichte des BRSG: Der Gesetzgeber habe § 1a Abs. 1a BetrAVG erst im laufenden Gesetzgebungsverfahren in das bereits entworfene Regelungssystem eingefügt, ohne § 19 Abs. 1 BetrAVG als umfassende, zeitlich nicht beschränkte Tariföffnungsklausel zu ändern.

Weitere Argumente findet das BAG in der Gesetzessystematik: § 1 Abs. 2 BetrAVG räumt schon existierenden Lösungen den Vorrang ein und schließt den gesetzlichen Entgeltumwandlungsanspruch aus, soweit eine durch Entgeltumwandlung finanzierte betriebliche Altersversorgung (bAV) besteht. Auch die Übergangsvorschrift des § 26a BetrAVG sperrt nicht die Anwendung des § 19 Abs. 1 BetrAVG.

In den Parallelentscheidungen vom 11. März 2025 hat das BAG festgestellt, dass sowohl der „Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/innen im kommunalen öffentlichen Dienst“ vom 18. Februar 2003 als auch der zwischen der Gewerkschaft NGG und dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie abgeschlossene „Tarifvertrag zur Altersvorsorge der Deutschen Süßwarenindustrie“ vom 18. April 2011 abschließende Regelungen der Entgeltumwandlung enthalten, die von § 1a BetrAVG abweichen. In beiden Fällen ist diese Abweichung ebenfalls gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG zulässig und der gesetzliche Arbeitgeberzuschuss gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG wirksam ausgeschlossen.

Hinweise für die Praxis

Das BAG schafft mit den Urteilen Klarheit, dass grundsätzlich auch vor dem 1. Januar 2018 abgeschlossene Tarifverträge den Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung nach § 1a Abs. 1a BetrAVG nach der Tariföffnungsklausel ausschließen können. Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag eigenständig einen Anspruch auf Entgeltumwandlung ohne Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG regelt.

Autor


Associate Director Retirement, Legal

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