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Artikel | Risk Perspectives

Nachhaltigkeits- und Umweltrisiken: Strategisch vorsorgen statt teuer nachbessern

25. Juni 2025

Nachhaltigkeits- und Umweltrisiken zählen für die Unternehmensleitung zu den zentralen strategischen Herausforderungen. Es gilt, Risiken frühzeitig zu erkennen, datengestützt zu bewerten und mit Präventionsmaßnahmen zu minimieren.
Climate|Environmental Risks|ESG and Sustainability|natural-catastrophe|Risk and Analytics
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Nachhaltigkeits- und Umweltrisiken sind längst kein Randthema mehr. Für die Unternehmensleitung zählen sie heute zu den zentralen strategischen Herausforderungen. Ob Naturkatastrophen, regulatorische Vorgaben, CO2-Preisrisiken, Haftungsthemen oder Greenwashing-Vorwürfe – die Risiken bedrohen nicht nur die Bilanz. Sie beeinflussen auch Finanzierungskosten, Marktposition und die Reputation eines Unternehmens.

Außerdem gestalten die zunehmende Schadenschwere und Komplexität von Umweltrisiken den alleinigen Schutz über Versicherungen schwierig. Die richtige Vorgehensweise lautet also: Risiken frühzeitig erkennen, datengestützt bewerten und mit Präventionsmaßnahmen minimieren.

Betriebsausfällen durch Naturgefahren vorbeugen

Der Klimawandel erhöht die Häufigkeit und Schwere extremer Wetterereignisse. Die Folgen für Unternehmen sind gravierend: Sie sehen sich mit steigenden Prämien, höheren Selbstbehalten und potenziell existenzbedrohenden Bilanzbelastungen konfrontiert. Daher gewinnt Risikovorsorge zunehmend an Bedeutung. Um sich gegen die Folgen von Unwetterereignissen abzusichern, ist es entscheidend, Klimaszenarien durchzuspielen und sich auf diese vorzubereiten: Was passiert, wenn ein Standort regelmäßig von Starkregen betroffen ist? Welche Folgen hätte eine wochenlange Hitzewelle oder ein Sturm mit Stromausfall?

Antworten auf diese Fragen liefert eine softwaregestützte Analyse der regionalen Klimagegebenheiten. Somit erlangt das Management fundierte Antworten für ein belastbares Business Continuity Management und kann Entscheidungen treffen, etwa zu Standortverlagerungen, Lieferkettenstruktur oder Notfallplänen. Dadurch bleibt das Unternehmen bei Unterbrechungen im eigenen Betrieb oder bei Dritten handlungsfähig und daraus resultierende Schäden werden begrenzt.

Risiken analysieren, Schutzmaßnahmen ableiten

Decken Unternehmen potenzielle Gefahren frühzeitig auf, können sie mit Gegenmaßnahmen gezielt gegensteuern. Wie das in der Praxis aussieht, zeigen folgende Beispiele:

  • Ein Unternehmen mit Standort an einem Fluss sieht sich durch zunehmende Starkregenereignisse einem steigenden Hochwasserrisiko ausgesetzt. Mithilfe von Simulationssoftware lässt sich berechnen, wie sich veränderte klimatische Bedingungen, etwa eine globale Erwärmung um zwei oder drei Grad, auf die lokale Topografie und den Wasserstand auswirken könnten. So kann frühzeitig erkannt werden, ob das Gelände künftig zur Gefahrenzone wird – und ob Maßnahmen zum Hochwasserschutz erforderlich sind.
  • Auch bei strategischen Entscheidungen, wie der Wahl eines neuen internationalen Standorts, leisten datenbasierte Risikoanalysen wertvolle Dienste. Ist ein neuer Standort im Ausland geplant, gilt es, die Bedingungen vor Ort zu überprüfen. Sind die potenziellen klimabedingten Veränderungen bekannt, lassen sich Investitionen nachvollziehbar bewerten.

Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Klimarisiken über eine parametrische Versicherung zu decken. Anders als eine klassische Police basiert diese nicht auf der konkreten Schadenhöhe, sondern auf messbaren Auslösern. Dazu zählen etwa definierte Regenmengen, Windgeschwindigkeiten oder Temperaturwerte. Wird ein zuvor vertraglich festgelegter Schwellenwert überschritten, erfolgt die Auszahlung automatisch, ohne langwierige Schadenprüfung.

CSRD: Kein Freifahrtschein trotz gelockerter Vorgaben

Neben zunehmenden Unwetterereignissen sorgt auch die Regulierung im Bereich Umwelt- und Nachhaltigkeit für Komplexität. Zwar hat die EU die Schwellenwerte für die Berichtspflicht nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vor Kurzem angehoben.

Zurücklehnen können sich die Firmen trotzdem nicht. Denn nicht nur der Gesetzgeber stellt Anforderungen. Weitere Stakeholder wie Kunden, Mitarbeiter und Medien fordern Nachweise über die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards. Investoren und Banken binden sogar entsprechende Kriterien in ihre Ratings und Kreditverträge ein.

Umweltschäden: Wird sich ein PFAS-Ausschluss durchsetzen?

Ein aktuelles Beispiel für regulatorische und finanzielle Risiken sind die sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen). Ihre Verwendung ist hoch umstritten, da sie sich in der Umwelt kaum abbauen und potenziell gesundheitsschädlich sind. Nach dem Vorschlag der EU, die Chemikalien zu verbieten, entbrannte die Debatte erneut, als der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) jüngst eine Ausschlussklausel für seine Musterbedingungen veröffentlichte.

Ein solcher Ausschluss hätte weitreichende Folgen für zahlreiche Branchen, darunter die Halbleiterfertigung, die Automobil- und Elektroindustrie, die Textilindustrie sowie den Maschinen- und Anlagenbau. Das Problem: Viele PFAS-Stoffe lassen sich bislang nicht ersetzen. Die Industrie trägt das Schadenrisiko bei weiterer Nutzung somit allein.

Wie einzelne Versicherer mit PFAS zukünftig umgehen werden, ist noch offen. Dennoch sollten Unternehmen proaktiv handeln, um ihr PFAS-Risiko gering zu halten. Werden beispielsweise Leckagen, Altlasten oder PFAS-Verunreinigungen bekannt, entstehen häufig hohe Kosten für Entsorgung, Sanierung oder Rückrufaktionen.

Folglich sind Firmen gefordert, Rückstellungen zu bilden, was das Ergebnis negativ belasten kann – etwa durch eine signifikante Reduktion des EBITDA. Diese Effekte wirken sich unmittelbar auf Kreditratings oder Finanzierungskosten aus. Vor diesem Hintergrund stellt sich die zentrale Frage: Sind Rückstellungen für PFAS-Risiken bereits in der Finanzplanung berücksichtigt?

Ein Lösungsansatz kann darin bestehen, einen systematischen Umwelt-Check im Rahmen des Jahresabschlusses zu verankern. So lassen sich potenzielle Altlasten, regulatorische Anforderungen oder Haftungsrisiken frühzeitig erkennen – und gezielt steuern.

Auch für Umweltverstöße Dritter haftbar

Abgesehen von PFAS-Verunreinigungen haften Unternehmen ebenso für andere Umweltverstöße, sei es durch eigenes Fehlverhalten oder unzureichende Kontrolle von Zulieferern oder Tochtergesellschaften. Dazu zählen etwa die illegale Entsorgung von Industrieabfällen, der Einsatz verbotener Chemikalien oder das Überschreiten gesetzlicher Emissionsgrenzwerte. Derartige Verstöße können schwerwiegende Haftungsansprüche nach sich ziehen.

Um sich dagegen abzusichern, können Organisationen auf Versicherungslösungen zurückgreifen wie die Umwelthaftpflichtversicherung oder die Umweltschadensdeckung. Auch eine juristische Absicherung in Form eines Umwelt-Strafrechtsschutzes ist hilfreich. Versicherungsnehmer sollten regelmäßig prüfen, ob ihre bestehenden Policen diese Risiken ausreichend abdecken – insbesondere im Hinblick auf aktuelle rechtliche Entwicklungen und internationale Lieferkettenverpflichtungen.

ESG-Verstöße gefährden Reputation

Umwelt- und Nachhaltigkeitsrisiken zu managen ist nicht nur unter versicherungstechnischen Aspekten wichtig. Auch die Reputation eines Unternehmens steht auf dem Spiel, wenn ESG-Anforderungen verletzt werden. Fehlerhafte Nachhaltigkeitsberichte, verspätete Lieferkettenprüfungen oder Greenwashing-Vorwürfe verbreiten sich schnell. Eine beschädigte Reputation kann außerdem finanzielle Schäden nach sich ziehen: Geschäftspartner könnten Kooperationen beenden, Kunden das Vertrauen verlieren und sich vom Produkt abwenden.

Unternehmen sind daher gut beraten, frühzeitig ein integriertes Reputations- und Nachhaltigkeitsrisikomanagement zu etablieren. Dazu gehört die sorgfältige Prüfung und Plausibilisierung aller Daten in Nachhaltigkeitsberichten vor deren Veröffentlichung, insbesondere im Hinblick auf die doppelte Wesentlichkeit (Double Materiality Check).

Ebenso wichtig sind vorbereitete Kommunikationsstrategien mit klaren Zuständigkeiten und definierten Abläufen für Krisenfälle. Ergänzend können externe Prüfungen oder sogenannte Assurance-Berichte die Transparenz und Glaubwürdigkeit gegenüber Stakeholdern deutlich erhöhen.

Um ein einheitliches Verständnis zu fördern, muss Nachhaltigkeitskommunikation sowohl extern als auch intern erfolgen. Ein Ansatz dafür kann die Einrichtung eines Nachhaltigkeits-Boards mit direkter Anbindung an die Geschäftsführung sein. So lassen sich strategische ESG-Themen dauerhaft verankern und bereichsübergreifend steuern.

Reputationsmanagement ist damit weit mehr als ein Kommunikationsthema: Es ist Teil eines aktiven Risikomanagements und muss interdisziplinär mit den Bereichen Recht, Compliance, Nachhaltigkeit und Kommunikation abgestimmt werden.

Nachhaltigkeit als Hebel für Resilienz, Wertsteigerung und Investitionsschutz

Nachhaltigkeits- und Umweltrisiken betreffen nicht nur die Compliance-Abteilung, sondern müssen auch auf der Agenda des Managements stehen. Denn sie betreffen zentrale Unternehmensbereiche wie Finanzen, Risikomanagement, Beschaffung und Kommunikation. Organisationen, die diese Risiken frühzeitig erkennen, richtig bewerten und gezielt absichern, stärken nicht nur ihre Widerstandsfähigkeit. Sie sichern Investitionen, reduzieren Kosten und stärken ihre Position gegenüber Kunden, Investoren und Geschäftspartnern.

Darüber hinaus schaffen sie die Grundlage für eine glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation – und damit für gute Reputation, Vertrauen und Differenzierung im Wettbewerb.

Referenz

  1. Der Original-Beitrag ist erschienen in Die VersicherungsPraxis 06/2025 (VP 06/2025).

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