40 Jahre BVG
In unserem ersten Artikel zum 40-jährigen Bestehen des BVG haben wir uns mit der Entwicklung der Eintrittsschwelle, des Koordinationsabzugs, der Altersgutschriften und der Freizügigkeit befasst.
Im vorliegenden zweiten Artikel liegt der Fokus auf dem Verfassungsversprechen, das vor einem halben Jahrhundert im Entwurf des BVG-Gesetzes enthalten war. Bevor wir dieses Ziel bewerten, wollen wir einen Blick auf die Entwicklung des Rentenalters und des Umwandlungssatzes werfen, zwei wesentliche Parameter, die bei jedem Reformversuch im Mittelpunkt der Debatten stehen.
Das BVG-Rentenalter ist an das AHV-Rentenalter angeglichen. Für Männer lag es immer bei 65 Jahren, während es für Frauen geändert wurde: 1985 waren es zunächst 62 Jahre, 2001 wurde es auf 63 Jahre und 2005 auf 64 Jahre angehoben. Schliesslich wurde mit der AHV-21-Reform, die am 22. September 2022 von Volk und den Kantonen angenommen wurde, das Rentenalter für Männer und Frauen durch eine schrittweise Anhebung des Rentenalters für Frauen zwischen 2025 und 2028 auf 65 Jahre vereinheitlicht.
Es sei darauf hingewiesen, dass vor dem BVG, zu Beginn der AHV (1948), das Rentenalter für Frauen bei 65 Jahren lag, dann aber auf 63 Jahre (1957) und schließlich auf 62 Jahre (1964) gesenkt wurde. Es ist offensichtlich, dass das Rentenalter im Laufe der Zeit mehrfach diskutiert wurde.
In Europa liegt das Rentenalter heute zwischen 64 und 67 Jahren. In Dänemark ist sogar geplant, es bis 2040 auf 70 Jahre anzuheben. Wie wird die Debatte in den nächsten Jahren in der Schweiz weitergehen? Der Trend scheint eher in Richtung einer Flexibilisierung des Rentenalters zu gehen, wobei ein Referenzalter von 65 Jahren beibehalten wird, aber die Arbeit über dieses Alter hinaus erleichtert und gefördert wird.
Zur Erinnerung: Das Referenzalter ist in erster Linie ein nützlicher zeitlicher Anhaltspunkt, um die Beitragsdauer zur ersten .Säule zu überprüfen. Unter Berücksichtigung der eigenen finanziellen Ressourcen und der Möglichkeiten zur Flexibilisierung des Rentenalters (1. Säule zwischen 63 und 70 Jahren; 2. Säule zwischen 58 und 70 Jahren) kann jeder sein „angemessenes Rentenalter” selbst bestimmen.
Ein weiterer wichtiger Punkt des BVG ist der Umwandlungssatz, d.h. der Prozentsatz, mit dem das Altersguthaben (angespartes Kapital) in eine Altersrente umgewandelt wird. Im Jahr 1985 betrug er 7.2 %. Vereinfacht gesagt: Wenn ein Versicherter zum Zeitpunkt seiner Pensionierung über ein Altersguthaben von 500,000 CHF verfügte, betrug seine Altersrente 36,000 CHF pro Jahr (3,000 CHF pro Monat).
Dieser BVG-Mindestumwandlungssatz, der nur für das BVG-Mindestaltersguthaben gilt, blieb bis 2004 unverändert. Ab 2005 (Jahr des Inkrafttretens der 1. BVG-Revision gemäss der Botschaft des Bundesrates vom 1.3.2000) wurde der Umwandlungssatz aufgrund der stetig steigenden Lebenserwartung über einen Zeitraum von 10 Jahren, d. h. bis 2014, von 7.2 % auf 6.8 % gesenkt. Mehr als 10 Jahre später ist dieser Satz trotz verschiedener Versuche, ihn zu senken, immer noch unverändert. Wenn man in unserem Beispiel den aktuellen BVG-Mindestumwandlungsatz zugrunde legt, sinkt die BVG-Altersrente auf 34,000 CHF pro Jahr (2,833 CHF pro Monat), was einer Kürzung von etwa 6 % entspricht. Es ist allerdings anzumerken, dass, obwohl diese Rente um 2,000 CHF pro Jahr gesunken ist, der Versicherte unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Erhöhung der Lebenserwartung über den gesamten Zeitraum hinweg dennoch eine höhere Gesamtrente erwarten kann.
Die steigende Lebenserwartung in Verbindung mit den seit 15 Jahren niedrigen Anleihezinsen (durchschnittlich etwa 0.5 %) erklärt, warum die Akteure in der beruflichen Vorsorge ihren Gesamtumwandlungssatz stark gesenkt haben, der heute im Durchschnitt bei etwa 5.2 % liegt. Natürlich muss sichergestellt werden, dass die ausgezahlte Altersrente der BVG-Minimumrente entspricht oder diese übersteigt.
Darüber hinaus zeigen aktuelle Daten, dass sich immer mehr Versicherte für eine Auszahlung der Altersleistung als Kapital statt als Rente entscheiden, was die Debatten über den Umwandlungssatz teilweise entschärft.
Der Bundesrat legt jedes Jahr den Zinssatz für die Verzinsung des BVG-Mindestaltersguthabens fest, wobei er sich auf die Entwicklung der Rendite von Bundesobligationen sowie ergänzend auf die Rendite von Aktien und Immobilien stützt. In den letzten vier Jahrzehnten erhielt ein Versicherter in einem BVG-Minimumplan einen durchschnittlichen BVG-Mindestzinssatz von etwa 2,7 % pro Jahr.
Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung des BVG-Mindestzinssatzes, des Zinssatzes für 10-jährige Bundesanleihen sowie, als Beispiel, die jährliche Anlageperformance gemäss dem Pictet-BVG-Index 2000-25 (Anlageallokation mit 25 % in Aktien und 75 % in Obligationen), dessen durchschnittliche jährliche Performance bei rund 2,8 % liegt (Zeitraum 2000 bis 2024) und etwa mit dem durchschnittlichen BVG-Mindestzinssatz übereinstimmt.
Gemäss den Entscheidungsgrundsätzen des Bundesrats liegt der BVG-Mindestzinssatz (grau) leicht über dem Obligationenzinssatz (rot), während die Anlageperformance (blau) je nach Entwicklung der Finanzmärkte starken Schwankungen unterworfen war.
Die Differenz zwischen der Anlageperformance und dem Zinssatz für die Verzinsung der Altersguthaben ist weiterhin aufmerksam und kritisch zu beobachten.
Das soziale Ziel der Altersvorsorge ist die finanzielle Absicherung der Versicherten, indem ihr gewohnter Lebensstandard nach der Pensionierung so weit wie möglich aufrechterhalten wird. In Anlehnung an das Drei-Säulen-Prinzip von 1972 legte die Botschaft des Bundesrats vom 19. Dezember 1975 die Grundlagen für das BVG fest und sah vor, dass «die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung, welche durch die ersten beiden Säulen ermöglicht werden soll, mit der Gewährung einer Gesamtrente im Ausmass von 60 Lohnprozenten erreicht werden kann, dies für die Alleinstehenden und im Rahmen einer vertretbaren oberen Lohngrenze.»
Im Jahr 2025 übersteigt oder erreicht die AHV-Altersrente 60 % bis zu einem Jahreslohn von etwa 33,000 CHF; dies ist ein erster Referenzwert für eine Person, die 44 Jahre lang AHV-Beiträge geleistet hat (für erwerbstätige Personen: vom 1. Januar des Jahres, in dem sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, bis zum Ende ihrer Erwerbstätigkeit; für nicht erwerbstätige Personen: vom 1. Januar des Jahres, in dem sie das 21. Lebensjahr vollendet haben, bis zum Referenzalter). Jedes fehlende Beitragsjahr verringert die Rente der ersten Säule um etwa 2 %. Oberhalb dieses Lohnniveaus müssen Leistungen aus der zweiten Säule in Anspruch genommen werden, um das Ziel von 60 % zu erreichen.
Zunächst sei daran erinnert, dass die maximale jährliche AHV-Rente (30,240 CHF im Jahr 2025) 33 % des maximalen versicherten Lohns (90,720 CHF im Jahr 2025) in einem BVG-Minimumplan ausmacht.
Die folgende Grafik veranschaulicht in einem BVG-Minimumplan die Entwicklung des Altersguthabens eines Arbeitnehmers, der 1960 geboren wurde und stets ein Jahresgehalt in Höhe des Höchstlohns bezogen hat. Bei seiner Pensionierung im Jahr 2025 beläuft sich sein Kapital auf CHF 377,526 (für einen Mann; CHF 377,851 für eine Frau und verzinst zum BVG-Mindestzinssatz). Daraus ergibt sich eine jährliche Rente aus der 2.Säule in Höhe von CHF 25,672 (377,526 x 6,8 %) pro Jahr, was etwa 28 % des Lohns entspricht. Interessant ist auch, dass die Sparbeiträge drei Viertel des Guthabens ausmachen und die erhaltenen Zinsen ein Viertel.
Addiert man die Rente der ersten .Säule zu der der zweiten Säule, erhält der Versicherte eine Gesamtaltersleistung von CHF 55,912 (30,240 (AHV) + 25,672 (BVG)) pro Jahr, was 61.6 % ((30,240 + 25,672) / 90,720) des maximal versicherten Lohns entspricht. Es zeigt sich, dass das ursprünglich vorgesehene Verfassungsziel erreicht wird und dass es auf niedrigere Löhne ausgedehnt werden kann, sofern der Versicherte zwischen 25 und 65 Jahren keine Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit hatte.
Für Personen mit einem Jahreslohn von mehr als 90,720 CHF beträgt die Rente der ersten .Säule weniger als 33 %. Damit das Verfassungsziel erreicht wird, muss die Rente der zweiten Säule daher umfassend sein (höher als ein BVG-Mindestplan). Anhand seines Vorsorgeausweises und einer Schätzung seiner AHV-Rente kann jeder Versicherte seine Gesamtleistung im Ruhestand abschätzen und den Prozentsatz im Verhältnis zu seinem Lohn ableiten. Dies gibt einen sehr guten Hinweis auf die Höhe der gesamten Altersvorsorge und ermöglicht es jedem, eine mögliche Lücke zu ermitteln, die durch zusätzliche, freiwillige Einkäufe in seine Vorsorgeeinrichtung oder durch eine individuelle Vorsorge (dritte.Säule) geschlossen werden kann. In Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten jedes Einzelnen sind diese beiden Ansätze heute unerlässlich, um überhaupt das Vorsorgeziel von 60 % des letzten Gehalts zu erreichen – und nicht nur, um eine Lücke zu schliessen.
Auch wenn wir uns über das Erreichen des ursprünglichen Verfassungsziels freuen können, welches unter der Annahme formuliert wurde, dass eine kombinierte Gesamtleistung aus der ersten und zweiten Säule von 60 % des Lohns die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards für Jahreslöhne unter 90,000 CHF ermöglicht, sollten wir uns fragen, ob dieser Prozentsatz angemessen ist. Das 60%-Ziel müsste eigentlich als Mindestziel für alle Lohnstufen angesehen werden, um im Ruhestand ein würdiges Leben führen zu können.
Es sei daran erinnert, dass die AHV-Rente alle zwei Jahre an die Preis- und Lohnentwicklung angepasst wird. Im Zeitraum 1985–2025 wurde sie um durchschnittlich 1.5 % pro Jahr indexiert. Die Renten der zweiten Säule hingegen werden im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten jeder Vorsorgeeinrichtung an die Preisentwicklung angepasst. Ein Vorsorgeziel von über 60 % ist daher notwendig, wenn man unter Berücksichtigung der Inflation den Lebensstandard erhalten möchte.
Die Frage des hohen BVG-Mindestumwandlungssatzes (6.8 %), dessen Senkung in mehreren Volksabstimmungen abgelehnt wurde, bleibt ein heikles Diskussionsthema, das jedoch durch die gesetzlichen Möglichkeiten der umfassenden Vorsorge für die große Mehrheit der Versicherten in der Schweiz keine praktische Relevanz hat. In diesem Punkt nimmt die Solidarität zwischen den Versichertengenerationen deutlich ab. Es scheint sich ein Umwandlungssatz abzuzeichnen, der besser an die Entwicklung der Lebenserwartung und die Zinssätze angepasst ist.
Für ein Unternehmen ist die Entscheidung für einen umfassenden Vorsorgeplan mit höheren Kosten verbunden als das vorgeschriebene Minimum. Für einen Versicherten bedeutet eine umfassende Vorsorge eine Verringerung des Nettogehalts durch erhöhte Sparbeiträge. Aber beide können mittel- und langfristig davon profitieren (bessere Leistungen, Steuervorteile, Mitarbeiterbindung). Eine umfassende Vorsorge in Verbindung mit einer regelmäßigen und konsistenten Gutschrift der erzielten Erträge bleibt das beste Mittel, um die berufliche Vorsorge zu verbessern.
Viel Erfolg, BVG, und setze deine Entwicklung fort, damit jeder eine angemessene Rente erhalten kann, die der Entwicklung unserer Gesellschaft entspricht.