Pensionskassen und Geldpolitik: Zwischen Belastung und Chance
Am 19. Juni 2025 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 0,0 % gesenkt. Dies ist bereits der zweite Zinsschritt in diesem Jahr und signalisiert, dass die SNB erneut stärker auf die Abkühlung der Inflation und den anhaltenden Aufwertungsdruck auf den Franken reagiert. Als Begründung nannte SNB-Präsident Martin Schlegel unter anderem die tiefen Inflationsaussichten – für das laufende Jahr wird nur noch mit einer Teuerung von 0,2 % gerechnet – sowie ein global unsicheres Umfeld. Zugleich stellte die SNB klar, dass sie zwar bereit wäre, bei Bedarf weitere geldpolitische Lockerungen zu prüfen, aber vor einem Wiedereintritt in den Negativzinsbereich zurückschreckt. Diese Zurückhaltung ist auch aus Sicht der Pensionskassen nachvollziehbar.
Die Phase negativer Zinsen zwischen 2015 und 2022 stellte für die Schweizer Pensionskassen zweifellos eine Herausforderung dar. Auf liquide Mittel, die zur Sicherstellung kurzfristiger Verpflichtungen gehalten wurden, mussten sie jährlich Negativzinsen entrichten – insgesamt kamen so über die Jahre direkte Kosten von geschätzt rund 2,4 Milliarden Franken zusammen. Zudem verloren festverzinsliche Anlagen, insbesondere Schweizer Anleihen im Tiefzinsumfeld stark an Ertragskraft, was die strukturelle Planungssicherheit belastete.
Gleichzeitig war diese Phase jedoch auch ein Anstoss zu einer Neuausrichtung vieler Anlagestrategien. Um die sinkenden Erträge traditioneller Anlageklassen zu kompensieren, setzten zahlreiche Pensionskassen verstärkt auf eine breitere Diversifikation und professionellere Ausrichtung der Portfolios. Während der Anteil an Schweizer Obligationen im Jahr noch im Durchschnitt bei knapp 23% lag sank er um gut 5 Prozentpunkte über einen Horizont von 10 Jahren. Gleichzeitig wurde der Anteil an Aktien, Immobilien, Infrastruktur- und alternativen Anlagen in vielen Fällen gezielt ausgebaut. Dies ermöglichte nicht nur langfristig höhere Renditechancen, sondern trug auch zur Modernisierung der Anlagestrategien bei. Gerade grössere Kassen mit professionellem Asset Management konnten in dieser Zeit von neuen Anlageklassen und internationalen Diversifikationsmöglichkeiten profitieren. Dieser Wandel stärkte langfristig nicht nur die Renditeperspektiven, sondern auch die Resilienz gegenüber Marktschwankungen.
Mit der jüngsten Zinssenkung rückt nun wieder eine zentrale Anlageklasse der Pensionskassen in den Fokus: Schweizer Staats- und Unternehmensobligationen. Diese gelten zwar als relativ sicher, bieten aber im aktuellen Zinsumfeld nur sehr geringe oder gar negative Realrenditen. Viele Pensionskassen stehen deshalb vor der Frage, ob und in welchem Umfang sie ihre Engagements in inländische Obligationen weiter reduzieren sollten – eine Tendenz, die sich bereits in den letzten Jahren deutlich abgezeichnet hat.
Ein vollständiger Rückzug ist zwar nur bedingt realistisch, doch gerade bei Neuanlagen dürfte eine stärkere Selektion stattfinden. Insbesondere stellt sich die Frage nach den Opportunitätskosten gegenüber internationalen, besser verzinsten Titeln. Das Spektrum an alternativen Kreditinstrumenten ist sehr vielfältig und bietet interessante Investitionsmöglichkeiten, selbstverständlich unter sorgfältiger Abwägung der Währungs- und Kreditrisiken. Damit wird deutlich: Die tiefen Zinsen in der Schweiz zwingen Vorsorgeeinrichtungen zu strategisch anspruchsvollen Entscheidungen in der Allokation ihres Kernportfolios.
Die Abschaffung der Negativzinsen im Jahr 2022 wurde von vielen Pensionskassen als spürbare Entlastung wahrgenommen. Der aktuelle Entscheid der SNB, den Leitzins erneut zu senken, dabei aber nicht unter null zu gehen, dürfte in diesem Sinne als ausgewogene und vorsichtige Haltung gewertet werden.
Für die Pensionskassen bleibt jedoch entscheidend, wie sie sich im anhaltenden Tiefzinsumfeld strategisch ausrichten. Insbesondere die Rolle von Schweizer Obligationen steht dabei erneut zur Diskussion. Während diese Titel in der Vergangenheit als sichere Grundlage der Vermögensallokation galten, bieten sie derzeit kaum mehr reale Rendite – was ihre Funktion als stabilisierendes Element infrage stellt. Viele Kassen werden sich deshalb überlegen müssen, ob sie ihre Engagements in inländische Anleihen weiter reduzieren, selektiver vorgehen oder gezielt durch höher verzinste ausländische Titel ersetzen wollen. Dies setzt jedoch ein sorgfältiges Management von Währungs-, Kredit- und Liquiditätsrisiken voraus.
Insgesamt zeigt sich: Die geldpolitische Richtung der SNB hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzierungskosten, sondern beeinflusst auch strukturprägende Anlageentscheidungen der zweiten Säule. Die kommenden Jahre werden von einem zunehmend differenzierten Umgang mit Zinsrisiken, Realrenditen und regulatorischen Anforderungen geprägt sein – und erfordern damit weiterhin ein hohes Mass an Professionalität und strategischer Anpassungsfähigkeit auf Seiten der Vorsorgeeinrichtungen.