Mit Hauptinhalt fortfahren
main content, press tab to continue
Artikel | Benefits Perspectives

Sicherung des Lebensstandards im Alter – ein Thema nur bis 85?

Von Hanne Borst | 30. Juni 2025

Die staatlich geförderte Riester-Förderung soll reformiert werden. Dabei braucht es auch Konzepte für eine Ausgestaltung der Leistungsphase.
Retirement
N/A

Die Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung nimmt ab

Immer mehr Menschen machen sich Sorgen um die Absicherung ihres Lebensstandards im Alter. Diese Sorge ist in vielen Fällen berechtigt. Die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung entwickeln sich immer mehr zu einer Basisabsicherung. So betrug gemäß der Statistik der Deutschen Rentenversicherung 2023 der durchschnittliche Bruttobetrag der monatlichen Altersrente nach mindestens 35 Versicherungsjahren 1.728 Euro für Männer und 1.314 Euro für Frauen. Zusätzliche private oder betriebliche Altersversorgung ist somit unerlässlich.

Die Riester-Förderung ist in der Kritik

Die nachhaltige und dauerhafte Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung beschäftigt die jeweilige Bundesregierung schon seit Langem. 2001 wurde in einer großen Reform das Rentenniveau von 53 Prozent auf perspektivisch 48 Prozent im Jahr 2020 abgesenkt. Die sogenannte Riester-Förderung durch private bzw. betriebliche Vorsorge sollte diese Absenkung kompensieren, indem sie staatliche Zulagen und steuerliche Vorteile für private Altersvorsorgeverträge bot.

Die Auszahlung erfolgt als monatliche Rente. Zu Beginn der Auszahlungsphase ist zudem eine Einmalzahlung von bis zu 30 Prozent des Riester-Kapitals möglich. Der verbleibende Restbetrag fließt dann in die lebenslange Riester-Rente, die monatlich ausgezahlt wird.

Die Riester-Rente geriet in den letzten Jahren insbesondere wegen hoher Kosten und einer zu geringen Verbreitung in die Kritik.

Reformvorschläge der alten und der neuen Bundesregierung

Der Referentenentwurf der letzten Bundesregierung zur Reform der Riester-Förderung orientierte sich an den Empfehlungen der von dieser Bundesregierung eingesetzten Fokusgruppe private Altersversorgung. Ziel war es, die staatlich geförderte private Altersversorgung kostengünstig, transparent und einfach zu machen. In der Auszahlungsphase wurden völlig neue Wege beschritten. Sah die bisherige Riester-Förderung insgesamt noch lebenslang laufende Leistungen vor, enthielt der Referentenentwurf neben lebenslangen Leistungen auch die Möglichkeit eines zeitlich befristeten Entnahmeplans, der Leistungen mindestens bis zur Vollendung des 85. Lebensjahres vorsieht. Eine Restverrentungspflicht gab es nicht.


Insbesondere der zeitlich befristete Entnahmeplan bis zum Alter 85 sorgt für Erstaunen. Immerhin soll die Riester-Förderung die Reduktion der lebenslang laufenden gesetzlichen Rentenversicherung abfedern. Ein lebenslang laufendes Produkt soll somit durch einen zeitlich befristeten Entnahmeplan ersetzt werden.


Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung steht, dass eine Reform der Riester-Rente erfolgen soll. Die Eckpunkte erinnern deutlich an das bAV-Reformgesetz der vergangenen Ampel-Regierung: weniger Bürokratie, Verzicht auf zwingende Garantien, einfache staatliche Förderung, Reduzierung der Kosten. Zudem soll im Kern ein Anlageprodukt stehen, das auch in Form eines Standardproduktes möglich sein soll. Zur Auszahlungsphase werden keine Angaben gemacht, es ist aber davon auszugehen, dass diese sich vermutlich ebenfalls an den Ergebnissen der Fokusgruppe private Altersversorgung orientieren werden.

Reichen Auszahlungspläne bis zum Alter 85 aus?

Bei den Reformvorschlägen stellen sich folgende Fragen: Reicht eine reine Fokussierung auf eine möglichst renditestarke Ansparphase aus, um den Lebensstandard im Alter dauerhaft zu sichern und Altersarmut zu vermeiden? Wie realistisch ist eine Lebenserwartung von mehr als 85 Jahren und wie entwickelt sich die Langlebigkeit?

Das statistische Bundesamt wertet regelmäßig die Lebenserwartung der Bevölkerung in Deutschland aus. Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten durch medizinischen Fortschritt, bessere Ernährung, Hygiene und bessere Lebensbedingungen kontinuierlich gestiegen. Analysen zur Lebenserwartung sollten somit auch Langlebigkeitstrends beinhalten. Lebenserwartungen, die nur auf historischen Daten basieren, unterschätzen die Langlebigkeit und führen zu finanziellen Fehlkalkulationen.

Wertet man die Lebenserwartungen von 1958 geborenen Männer und Frauen des statistischen Bundesamts unter Berücksichtigung der Langlebigkeitstrends aus, erhält man folgende Erkenntnisse:

  • 50 Prozent der Männer werden älter als 85 Jahre und mehr als 25 Prozent werden älter als 90 Jahre.
  • Bei den Frauen ergibt sich noch ein deutlicheres Bild: 65 Prozent der Frauen werden älter als 85 Jahre und mehr als 40 Prozent werden älter als 90 Jahre.

Die individuelle Finanzplanung bleibt herausfordernd

Als Fazit der Analysen ist festzuhalten, dass eine eigene Finanzplanung bis zum Lebensende für Individuen sowohl in Bezug auf Lebenserwartung als auch in Bezug auf die erwartete Rendite schwer möglich ist; dies stellt insbesondere Personen mit geringeren Alterseinkünften vor hohe Herausforderungen. Die individuelle Lebenserwartung ist für den einzelnen nicht abschätzbar. Zudem steigen die Kosten für Pflege und Krankheit mit zunehmendem Alter. Besonders herausfordernd ist die Situation für Frauen. Bereits jetzt verfügen Frauen durchschnittlich um 40 Prozent weniger eigene Alterseinkünfte als Männer (sogenannter Pension Gap). Endet die Leistung der staatlich geförderten privaten Altersversorgung im Alter 85 ist dies für diesen Personenkreis häufig besonders herausfordernd.

Die neue Bundesregierung muss jetzt handeln – Vorbild bAV

Eine Reform der Riester-Förderung ist sinnvoll und erforderlich. Insbesondere eine Reduzierung der Komplexität wäre dringend angeraten. Auch bei der neuen Bundesregierung liegt der Fokus jedoch zu stark auf der Ausgestaltung der Ansparphase. Die konzeptionelle Ausgestaltung der Leistungsphase benötigt dringend mehr Aufmerksamkeit – vor allem vor dem Hintergrund, dass die Riester-Förderung eine Reduzierung der lebenslang laufenden gesetzlichen Rentenversicherung kompensieren soll und nicht unerhebliche Steuermittel zum Einsatz kommen. Auch im Sinne der Generationengerechtigkeit ist die Frage zu stellen, wer für die erforderlichen Leistungen aufkommt, wenn die Leistungsempfänger älter als 85 Jahre werden und die eigenen Mittel für die Begleichung der Lebenshaltungskosten nicht ausreichen.

Eine lebenslange Absicherung gelingt am besten im Kollektiv. Dies gilt umso mehr für Personen mit geringen bzw. mittleren Einkommen. Wie eine Ausgestaltung der Leistungsphase erfolgreich gelingen kann, zeigt ein Blick auf die betriebliche Altersversorgung (bAV): Moderne Plandesigns mit Pufferlogiken ermöglichen eine Nutzung der Kraft der Kapitalmärkte auch im Rentenbezug und führen zu attraktiven lebenslangen Leistungshöhen. Besonders etabliert ist diese Ausgestaltungsform bei Sozialpartnermodellen.

Wünschenswert und dringend erforderlich wäre allerdings auch, dass die Gestaltung der Leistungsphase auch in der bAV weiterentwickelt wird. Die Anpassungserfordernisse nach § 16 BetrAVG sind insbesondere für die beitragsorientierte Leistungszusage zu starr und bieten wenig Spielraum für Flexibilität.

Autor


Managing Director, Head of Retirement Germany/Austria

Contact us