Die deutsche Wirtschaft befindet sich im dritten Jahr in Folge in einer Stagnation. Signale für eine spürbare wirtschaftliche Belebung sind derzeit nicht auszumachen.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich eine Vielzahl von Branchen und Unternehmen in fundamentalen Transformationsprozessen befindet. Für den notwendigen Investitionsbedarf sind Mittel zu reservieren, so dass die deutschen Unternehmen auch in Zukunft international wettbewerbsfähig bleiben und die Arbeitsplätze erhalten werden können.
Viele Unternehmen trifft daher das Erfordernis, in dieser Lage auch ihre Kosten zu reduzieren.
Kurzfristige Reaktionsmöglichkeiten im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestehen in diesem Kontext mit Blick auf
Versorgungszusagen sehen vielfach lebenslängliche Rentenleistungen vor. Diese laufenden Leistungen unterliegen ab Rentenbeginn der Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 BetrAVG.
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG muss der Arbeitgeber grundsätzlich nach billigem Ermessen alle drei Jahre die laufenden Betriebsrenten überprüfen und in Abhängigkeit vom Anpassungsbedarf der Versorgungsempfänger und von seiner wirtschaftlichen Lage über eine inflationsbezogene Erhöhung entscheiden.
Die Entscheidung zur Rentenanpassung kann gerade in Zeiten einer erhöhten Inflation eine hohe finanzielle Belastung für das Unternehmen mit sich bringen, vor allem wenn der Kreis der Versorgungsberechtigten bereits viele Rentner umfasst. Im Extremfall einer Gewährung der letzten für alle Rentnerkohorten gebündelten Rentenerhöhung im Januar 2022 beträgt die bis einschließlich Dezember 2024 aufgelaufene Inflation 15 Prozent.[1]
Dieser sog. Anpassungsstau wurde von vielen Unternehmen bereits bei der handelsrechtlichen Rückstellungsbildung berücksichtigt. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der Arbeitgeber nicht deshalb zur Anpassung der Betriebsrente verpflichtet ist, weil er (für den Anpassungsstau) Pensionsrückstellungen gebildet hat. Die vorhandenen Rückstellungen sind vielmehr (teilweise) aufzulösen, wenn feststeht, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zur Anpassung verpflichtet ist.
Das Problem des Abschätzens der Anpassungslast stellt sich dann nicht, wenn für ab dem 1.1.1999 neu zugesagte Versorgungsleistungen eine feste jährliche Erhöhung um 1 Prozent garantiert wurde (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG).
Die Anpassungsprüfungspflicht trifft den konkreten Versorgungsschuldner (die rechtliche Einheit) zum jeweiligen Anpassungsstichtag. Das gilt grundsätzlich auch bei Einbindung des Arbeitgebers in einen Konzern.
Die Ablehnung einer Rentenanpassung aufgrund der wirtschaftlichen Lage ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn das Unternehmen durch die Rentenerhöhung übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Dabei geht es vorrangig um die Erhaltung und die gesunde Weiterentwicklung des Unternehmens und der Arbeitsplätze.
Die wirtschaftliche Lage ist grundsätzlich anhand einer mit Erkenntnisstand zum Anpassungsstichtag zu erstellenden Prognose für die kommenden drei Geschäftsjahre zu bestimmen. Beurteilungsgrundlage ist die wirtschaftliche Entwicklung vor dem Anpassungsstichtag, soweit sich daraus Schlüsse für die weitere Entwicklung ziehen lassen. Die bisherige Entwicklung ist unter Herausrechnung außergewöhnlicher Sondereinflüsse über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren auszuwerten.
Das Unternehmen muss die Anpassungsbelastung aus den künftigen Unternehmenserträgen und dem bilanziellen Reinvermögenszuwachs tragen können. Dabei wird dem Unternehmen eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zugebilligt. Betriebswirtschaftliche Scheingewinne können mit Blick auf einen arbeitsplatzsichernden Investitionsbedarf eliminiert werden.
Eine Rentenanpassung kann auch dann unterbleiben, wenn das Unternehmen über nicht genügend Eigenkapital verfügt. Führen erwirtschaftete Verluste zu einer Eigenkapitalauszehrung, ist dem Arbeitgeber zuzubilligen, dass er möglichst rasch wieder für eine ausreichende Eigenkapitalausstattung sorgt und bis dahin von Betriebsrentenerhöhungen absieht.
Die Anpassungsprüfung und die Anpassungsentscheidung sind mit Blick auf einen möglichen Rechtsstreit sorgfältig zu dokumentieren. Der Arbeitgeber muss dem Versorgungsempfänger die schlechte wirtschaftliche Lage in nachvollziehbarer Weise und hinreichend detailliert schriftlich darlegen.
Die wirtschaftliche Lage wird vom Bundesarbeitsgericht nicht nur für die Frage der Rentenanpassung, sondern auch in Fällen verschlechternder Neuordnungen eines bestehenden Versorgungswerks berücksichtigt. Als triftiger Grund, der für eine Kürzung von Versorgungsanwartschaften in größerem Umfang ausreicht (Eingriff in die erdiente Dynamik), können wirtschaftliche Belange dienen, die wenigstens so schwer wiegen, dass eine Anpassung an die Kaufkraftentwicklung gem. § 16 Abs. 1 BetrAVG verweigert werden könnte, weil langfristig die Substanz des Unternehmens gefährdet erscheint.
Die Aussetzung der Rentenanpassung kann zu einer Liquiditätsschonung von bis zu 15 Prozent des derzeitigen rentenzahlungsbedingten Liquiditätsabflusses führen. Kürzungen von Versorgungsanwartschaften wirken längerfristig und können neben der Möglichkeit, ein Versorgungswerk für die Zukunft anzupassen, zu einer entsprechenden Liquiditäts-, Kosten- und/oder Bilanzentlastung führen.
Beide Maßnahmen setzen eine sorgfältige betriebswirtschaftliche Analyse unter Beachtung der vom Bundesarbeitsgericht hierfür aufgestellten Kriterien sowie eine entsprechende Dokumentation voraus.