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Artikel | Benefits Perspectives

Betriebsrentenanpassung und Inflation

Auswirkungen und Handlungsoptionen in der Praxis

Von Dr. Andreas Hufer | 3. Juli 2023

Mit der Inflation steigen auch die Kosten für die Anpassung der Betriebsrenten. Welche Optionen zur Kostenbegrenzung bestehen?
Health and Benefits|Retirement
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Die Inflationsrate in Deutschland ist seit Ende 2020 deutlich gestiegen. Der Höchststand lag – abhängig davon, ob der frühere Verbraucherpreisindex (VPI) mit Basisjahr 2015 oder der im Februar 2023 veröffentlichte VPI mit Basisjahr 2020 herangezogen wird – bei über zehn Prozent. Für die nächsten Jahre sehen Prognosen derzeit zwar einen Rückgang der Inflation auf etwa vier bis sechs Prozent 2023, zwei bis drei Prozent pro Jahr 2024 und ab 2025 etwa zwei Prozent pro Jahr vor.

Letztes Jahr haben viele Unternehmen in Erwartung einer nur kurz anhaltenden hohen Inflation noch von komplexeren Schritten zur Begrenzung inflationsbedingter Rentenanpassungen abgesehen. Es zeichnet sich aber ab, dass die hohe Inflation jedenfalls nicht so schnell überwunden war und ist, wie das anfangs prognostiziert wurde. So wurden etwa 2022 Inflationsannahmen für 2023 im zweiten Quartal noch unter drei Prozent pro Jahr geschätzt, die Prognose im vierten Quartal aber bereits auf knapp sechs Prozent angehoben.

Die aus den aktuellen Prognosen zur Inflationsrate ableitbare Annahme, dass die Zeit hoher Inflation nun tatsächlich bald vorüber ist, könnte auch erneut im Nachhinein als zu früh eingeordnet und prognostizierte Inflation noch nach oben korrigiert werden müssen. Aus Unternehmenssicht liegt es daher nahe, strukturiert zu prüfen, ob und ggf. wo Potentiale zur Verringerung der Belastung durch Rentenanpassungen liegen können.

Auswirkung insbesondere bei Prüfungsanpassung

Regelfall des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) für laufende Leistungen ist eine Verpflichtung zur Prüfungsanpassung nach § 16 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BetrAVG. Danach sind die Belange des jeweiligen Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen. Die Belange des Versorgungsempfängers gelten unter anderem als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes (VPI) im Prüfungszeitraum (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG). Die Inflation erhöht damit die Belastung des Arbeitgebers.

Handlungsoption: Ausgleich nur der Nettolohnentwicklung

Soweit zur Prüfungsanpassung verpflichtete Arbeitgeber diesen Belastungsanstieg begrenzen möchten, liegt es nahe, zu prüfen, ob eine Begrenzung der Anpassung auf die so genannte Nettolohnentwicklung in Betracht kommt. Nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG gilt die Anpassungsprüfungspflicht nämlich auch als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum.

Der Arbeitgeber darf zu jedem Prüfungsstichtag zwischen den beiden Anpassungsmechanismen wechseln, denn die Gesetzesalternative Nettolohnentwicklung dient der Begrenzung der Anpassungspflichten (vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 18.3.2014 – 3 AZR 249/12). Administrativ stellt die Begrenzung auf die Nettolohnentwicklung bestimmte Anforderungen, deren Einhaltbarkeit vor einer Umstellung der Anpassungsmethode im Detail zu prüfen ist.

Während gesetzliche Abzüge aufgrund typisierter Vorgaben pauschal in Abzug gebracht werden dürfen, ist der Prüfungszeitraum exakt einzuhalten. Das bedeutet, dass die Nettolohnentwicklung für jeden Rentenempfänger zu jedem Prüfungsstichtag jeweils vom individuellen Rentenbeginn bis zum Prüfungsstichtag zu ermitteln ist. Zudem sind sachgerechte Vergleichsgruppen zu bilden. Diesbezüglich bestehen gewisse Spielräume, insbesondere dazu, wie grob oder fein die Unterteilung in Gruppen erfolgt.

Ökonomisch dürfte eine Begrenzung der Anpassungshöhe insbesondere bei Beständen mit vielen Personen mit vergleichsweise kurzem Rentenbezug erreichbar sein. Hier wirkt es sich aus, dass die Nettolohnentwicklung der Inflationsentwicklung zeitlich nachgelagert ist und diese noch nicht überall in gleichem Umfang widerspiegelt. In Beständen mit vielen Personen mit längerem Rentenbezug dürfte demgegenüber gegenläufig wirken, dass in der Vergangenheit die Nettolohnentwicklung teilweise über der Teuerung nach VPI lag.

Handlungsoption bei schlechter eigener wirtschaftlicher Lage

Der Arbeitgeber darf die Prüfungsanpassung einschränken oder sogar zu Recht unterlassen, wenn seine wirtschaftliche Lage es nicht zulassen würde, die Anpassung aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen aufzubringen. Im Detail hat das BAG hierfür eine Reihe von Vorgaben aufgestellt.

Besonders wichtig ist, dass es dabei grundsätzlich auf die wirtschaftliche Lage der jeweiligen Arbeitgebergesellschaft ankommt und die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Konzerns, in den die Gesellschaft eingebunden ist, nur in Ausnahmekonstellationen erfolgt. Sofern Anlass zur Annahme besteht, dass die wirtschaftliche Lage einer Arbeitgebergesellschaft einer Betriebsrentenanpassung entgegenstehen könnte, liegt es nahe, dies genauer zu prüfen und das Ergebnis sauber zu dokumentieren, damit die Dokumentation dann in einem etwa eintretenden Gerichtsverfahren zur Verteidigung zur Verfügung steht.

Handlungsoption: Zusageänderung

Es liegt ferner nahe, Versorgungszusagen daraufhin zu überprüfen, ob diese eine Prüfungsanpassung vorsehen oder ob mangels abweichender Regelung in der Zusage die Prüfungsanpassung als gesetzlicher Regelfall gilt. Zusageänderungen richten sich nach den allgemeinen dafür einschlägigen Regelungen, die abhängig von der konkreten Sachlage eine Einbindung des Betriebsrats oder gar der Tarifvertragsparteien verlangen können.

Gegenüber neu eintretenden Mitarbeitern sind die Hürden für eine Zusageänderung grundsätzlich niedrig. Sachgerecht kann es sein, zumindest für diese eine nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG von der Pflicht zur Prüfungsanpassung befreiende Anpassung um ein Prozent pro Jahr vorzusehen. Auch über eine Modifikation der Auszahlungsform kann nachzudenken sein. Einmalkapitalzahlungen unterliegen keiner Anpassungsprüfungspflicht.

Ob der Anpassungsmechanismus auch bei bereits erteilten Versorgungszusagen in eine der genannten Richtungen verändert werden kann, muss jeweils für die konkrete Zusage geprüft werden. Eine gesetzliche Hürde besteht in § 30c Abs. 1 BetrAVG, wonach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG für vor 1999 erteilte Zusagen überhaupt nicht anwendbar ist und damit die Pflicht zur Anpassungsprüfung insoweit bestehen bleibt.

Bei nach 1999 erteilten Zusagen ist anhand der allgemeinen Regelungen zur Zusageänderung insbesondere unter Berücksichtigung der vom BAG vorgegebenen Abwägung anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, inwieweit ein bereits zugesagter Anpassungsmechanismus nachträglich durch den Arbeitgeber bzw. ggf. diesen zusammen mit Betriebsrat und Gewerkschaft verändert werden kann.

Fazit

Die Inflationsentwicklung erhöht die Belastung von Unternehmen durch Versorgungszusagen. Es gibt sachgerechte Wege, diese Erhöhung einzugrenzen. Deren Relevanz steigt für Unternehmen mit jedem Jahr, dass sich die derzeit hohe Inflation länger als ursprünglich angenommen doch hält. Soweit ohnehin Zusagen neu zu erteilen sind, liegt eine Begrenzung der Inflationsanpassung besonders nahe und begegnet grundsätzlich keinen rechtlichen Hürden, dasselbe gilt, wenn bestehende Versorgungsregelungen für neu eintretende Mitarbeiter entsprechend geändert werden.

Maßnahmen bezogen auf schon erteilte Zusagen erfordern demgegenüber jeweils konkrete Prüfungen der betreffenden Sachlage etwa in Gestalt der wirtschaftlichen Daten der betreffenden Gesellschaften oder der ökonomischen Sinnhaftigkeit und Administrierbarkeit einer Umstellung auf die Nettolohnanpassung.

Während eine Prüfung der wirtschaftlichen Lage einer Gesellschaft grundsätzlich innerhalb einiger Wochen umsetzbar sein sollte, können für die Auswertung hinsichtlich einer Umstellung auf die Nettolohnanpassung abhängig von Bestandszusammensetzung, administrativem Status quo und Datenverfügbarkeit auch mehrere Monate einzuplanen sein.

Autor

Rechtsanwalt, Director Retirement, Legal

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