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Artikel

Übersterblichkeit zum Jahresende massiv gestiegen

Von Aleksander Rejman | 6. Februar 2023

Im Dezember 2022 lag die Sterblichkeitsrate in Deutschland sogar oberhalb der schlimmsten Pandemie-Monate. Wurde Covid über- und die Grippe unterschätzt? Welche Folgen hat dies für Lebensversicherer?
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Für die meisten von uns ist die Corona-Pandemie inzwischen nur noch eine unschöne Erinnerung. Vorbei scheint die Zeit der gesellschaftlichen Einschränkungen sowie der Nachrichten, die von Statistiken zu Neuinfizierten und Todesfällen überflutet werden. Wir reisen wieder, besuchen Konzerte, treffen Freunde in Restaurants und genießen das öffentliche Leben.

Doch mitten in dieser Phase der „Post-Covid“-Entspannung veröffentlicht das Statistische Bundesamt eine düstere Sterbestatistik für Deutschland: In den letzten Wochen des Jahres erreicht die Sterblichkeit ein unerwartetes Höchstniveau, das selbst die schlimmsten Monate der Pandemie übertrifft.

Schon seit dem Sommer ist eine erhöhte Sterblichkeitsrate zu beobachten. Doch diese Rate ist im Dezember nochmals signifikant angestiegen auf eine durchschnittliche Übersterblichkeit von 30 bis 40 Prozent (violette Kurve). Dieser Ansprung ist unerwartet, denn normalerweise wurden solche Ausreißer, z.B. aufgrund von besonders schweren Grippewellen, in der Vergangenheit erst in den Monaten Februar oder März beobachtet.

Auffällig ist außerdem, dass Deutschland auch im europäischen Vergleich die höchste Sterberate im Dezember aufweist – und das teils mit erheblichem Abstand. Lediglich in England herrscht eine ähnliche Situation vor. Andere Länder, wie Frankreich oder die Niederlande, vermelden zwar ebenfalls eine erhöhte Sterblichkeit, allerdings nicht im gleichen Ausmaß. Zudem gibt es eine Reihe von Staaten, die keinerlei Besonderheiten im Dezember beobachten, wie z.B. Irland oder Zypern. Was also ist der Grund für das massiv hohe Übersterblichkeitsniveau hierzulande?

Covid-19 als alleinige Ursache äußerst unwahrscheinlich

Bislang wurden noch keine detaillierten Analysen veröffentlicht, die das Phänomen der hohen Übersterblichkeit in Deutschland vollständig erklären würden. Erste Untersuchungen im Sommer des letzten Jahres zeigen jedoch, dass die überdurchschnittliche Sterberate auf viele der „typischen“ Todesursachen zurückzuführen ist. Covid-19 spielte in diesem Kontext sogar eher eine untergordnete Rolle. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass Covid-19 in der Todesfallstatistik häufig unterschätzt wird aufgrund der hohen Anzahl an nicht-registrierten Fällen. Doch selbst eine Verdoppelung aller Corona-bedingten Todesfälle hat keine wesentliche Auswirkung auf das Gesamtbild. Es kann also davon ausgegangen werden, dass Covid-19 nicht der alleinige Auslöser ist. Was also sind die zusätzlichen Faktoren?

  • Verfrühter Beginn der Erkältungs- und Grippesaison: Schon im dem Spätherbst 2022 berichteten Medien von Kinderkrankenstationen, die aufgrund der hohen Anzahl an schweren RS-Viruserkrankungen stark überlastet sind. Doch auch in der erwachsenen Bevölkerung sind überdurchschnittlich viele Atemwegsinfekte zu beobachten. Zudem meldet das Robert Koch-Institut (RKI) schon Mitte November einen Stand an Grippeerkrankungen, der sich auf „regulärem“ Januar-Niveau befindet.
  • Indirekte (Langzeit-)Folgen der Corona-Pandemie: Es wird vielfach diskutiert, ob die schwere Erkältungswelle durch den Wegfall der Hygienemaßnahmen ebenfalls eine indirekte Folge der Pandemie ist. Klar ist jedoch, dass Vorsorgeuntersuchungen und diagnostische Eingriffe in den Vorjahren vielerorts aufgrund von Personalmangel und Überlastungssituationen in Krankenhäusern hinten angestellt wurden. Somit ist die unterdurchschnittliche medizinische Versorgung während der Corona-Pandemie vermutlich mitverantwortlich für die akute Übersterblichkeit. Zudem sind auch die langfristigen Auswirkungen von Long Covid-Erkrankungen noch nicht vollständig geklärt.
  • Begrenzter Zugang zu wichtigen Medikamenten: „Passend“ zu der eingangs beschriebenen Erkältungs- und Grippewelle wurden im letzten Quartal des Jahres 2022 zunehmend wichtige Medikamente knapp. Grund hierfür sind Lieferkettenprobleme in China und Indien, die hierzulande zu ernstzunehmenden Lieferengpässen führten. 

Das Phänomen der hohen Übersterblichkeit ist somit mutmaßlich nicht nur auf eine, sondern auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Im Wesentlichen scheint es jedoch eine Kombination aus einer frühen Grippewelle und den Überbleibseln der Corona-Pandemie zu sein.

Aktuell keine wesentlichen Auswirkungen auf die Lebensversicherungsbranche

Im Jahresdurchschnitt betrug die Übersterblichkeit zehn bis 15 Prozent und dürfte für die versicherte Bevölkerung sogar noch etwas geringer ausfallen. Daher sind, ähnlich wie in 2021, keine wesentlichen Auswirkungen auf die Lebensversicherungsbranche zu erwarten. Dennoch bleibt zum jetzigen Zeitpunkt offen, ob es sich bei der hohen Übersterblichkeit im Dezember im Rückblick um ein einmaliges Phänomen handelt oder ob uns derart schwere Grippewellen zukünftig öfter und auch außerhalb der Saison ereilen. Weiterhin unklar ist darüber hinaus, welche Folgen Long Covid langfristig für das Gesundheitssystem haben wird.

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