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Inflation – Einfluss auf die Schweizer Pensionskassen

360°Vorsorge I News

Von Guillaume Hodouin und Fiona Stocker | 24. März 2023

Was ist Inflation und was bedeutet sie?
Investments|Retirement
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Was ist Inflation?

Unter Inflation verstehen wir eine Verminderung des Geldwertes oder eine Steigung des allgemeinen Preisniveaus. Wörtlich übersetzt bedeutet «inflare», von dem «Inflation» abstammt, «aufblasen» oder «aufblähen». Wächst die Geldmenge in einem Land schneller als die Produktion, steigt die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen an. Dadurch erhöhen sich die Preise.

Ein erhöhtes Preisniveau kann auch dadurch entstehen, dass Produzenten, Händler oder Dienstleister höhere Kosten weiterverrechnen, die z. B. aus gestiegenen Rohstoff- oder Produktionskosten, höheren Personalkosten oder höheren Steuersätzen resultieren. Steigen die Preise, ist das vorhandene Geld weniger wert, denn für das gleiche Geld kann der Konsument weniger kaufen. Dies hat eine sinkende Kaufkraft zur Folge.

Die Rückkehr der Inflation

In den Jahren 2021 und 2022 ist die Inflation deutlich gestiegen, nachdem sie zuvor jahrelang abwesend war.

Die steigende Inflation ist ein Thema, das uns alle beschäftigt. Ob es darum geht, dass die Wohnkosten, die Nahrungsmittel- oder die Energiepreise steigen, die Inflation geht an nichts und niemanden vorbei. Auch in der Welt der Schweizer Pensionskassen ist die Inflation ein Thema, welches viele Fragen mit sich bringt. Auf der einen Seite müssen sich die Verantwortlichen der Pensionskassen überlegen, wie sie ihre Leistungsversprechen und Bilanzierungsparameter in Umfeld in dem die Inflation zurückgekehrt ist definieren. Auf der anderen Seite müssen sie sich mit der Frage auseinandersetzen, wie die Kaufkraft der Rentenbezüger aufrechterhalten werden soll. Eine gute Balance zwischen diesen Herausforderungen zu finden, ist eine schwierige Aufgabe.

Anstieg der risikolosen Zinssätze

Nachstehend sprechen wir bei der Rendite der Bundesobligationen vom risikolosen Zinssatz zumal dies eine gängige Bezeichnung in der einschlägigen Literatur ist. Wir denken, es handelt sich eher um einen nahezu risikolosen oder risikoarmen Zinssatz. Die vollkommene Sicherheit, dass es zu keinem Ausfall kommt, besteht unseres Erachtens nie.

Seit 2021 sind nun auch die Renditen der 10-jährigen Bundesobligationen stark angestiegen von –0.4% im August 2021 auf mittlerweile +1.4% im Februar 2023 – also ein Plus von 1.8% in nur 18 Monaten. Zwischenzeitlich haben die Renditen im Dezember 2022 sogar ein Höchst von 1.6% verzeichnet.

Was bedeutet dies für die Festlegung des technischen Zinssatzes und für den Umwandlungssatz von Vorsorgeeinrichtungen?

Der technische Zinssatz

Wenden wir uns zunächst dem technischen Zins zu. Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz brauchen einen technischen Zins, mit welchem die zu bilanzierenden Vorsorgekapitalien der Rentner sowie die Rückstellungen in der Bilanz berechnet werden. Man kann den technischen Zinssatz als einen erwarteten Vermögensertrag betrachten, der bereits heute in der Bilanz aktiviert wird. Ohne die Annahme eines zukünftigen Vermögensertrags wären die notwendigen Vorsorgekapitalien deutlich höher. Somit sollte der technische Zinssatz mit einer angemessenen Marge unterhalb der erwarteten Nettorendite der Anlagestrategie liegen, um die Rentenzahlungen langfristig garantieren zu können.

Gemäss der WTW SLI 2021-Studie lag der durchschnittliche technische Zins der SLI-Firmen im Jahr 2021 bei 1.75%, und der Durchschnitt der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie lag Ende 2021 gemäss OAK- BV sogar bei 1.62%.

Mit dem aktuellen Anstieg der Renditen der 10-jährigen Bundesobligationen, (Abb. 1) fragt man sich nun, ob und wie sich dieser Anstieg auf die Festlegung der technischen Zinssätze auswirkt. Die 10-jährigen Bundesobligationen werden als Grundlage für die Festlegung der Obergrenze des technischen Zinssatzes genommen. Die schweizerische Kammer der Pensionskassenexperten (SKPE) legt in der Fachrichtline 4 die Obergrenze des technischen Zinssatzes fest, indem der durchschnittliche Kassazinssatz der 10-jährigen CHF-Bundesobligationen der letzten 12 Monate mit einem Zuschlag von 2.50% versehen wird. Davon abgezogen wird ein allfälliger Abschlag aufgrund der Langlebigkeit bei Periodentafeln (versus Generationentafeln) oder aufgrund eines hohen Anteils an Rentnern.

Die Grafik zeigt die Veränderung der Renditen der 10-jährigen Bundesobligation und der Inflation seit 1988 in Prozent auf.
Abb. 1: Veränderung der Renditen der 10-jährigen Bundesobligation und der Inflation seit 1988 in Prozent

Source : Quelle: Schweizerische Nationalbank; Inflation: Konsumentenpreise – Total CHF Obligationen: Renditen von Obligationen

Kurzfristige Anpassung des technischen Zinssatzes, ja oder nein?

Die technische Bilanz ist eine Bewertung der Leistungsversprechen. Zur Frage, ob der technische Zinssatz nun jährlich dem Verlauf der 10-jährigen CHF-Bundesobligationen angepasst werden soll oder nicht, können verschiedene Betrachtungsweisen eingenommen werden:

  1. der technische Zinssatz sei ein Parameter, der mehrere Jahre Bestand haben sollte, oder
  2. der technische Zinssatz sei jeweils den veränderten Bedingungen

Ansatz 1) ergibt Stetigkeit in der Bilanzierung, während Ansatz 2) in Richtung einer Marktbewertung der Verpflichtungen geht. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile.

Ansatz 1) führt zu einer stabileren Grösse der Rückstellungen in der Bilanz und fokussiert auf die langfristige Finanzierbarkeit der Leistungen. Dafür besteht das Risiko, in einem Umfeld mit sinkenden Zinsen, zu lange an zu hohen Leistungen festzuhalten. Ansatz 2) führt bei einem sich jährlich ändernden technischen Zinssatz zu stark schwankenden Rückstellungen und fokussiert auf die Marktverhältnisse zum Stichtag. Dieser Ansatz erschwert eine sinnvolle Festlegung von langfristigen Leistungszielen. Welcher Betrachtung der Vorrang gegeben wird, ist ein Entscheid des Stiftungsrates.

Unseres Erachtens gilt in der beruflichen Vorsorge immer noch der Grundsatz der Langfristigkeit und somit ist der Ansatz 1) der Vorrang zu geben. Was aber nicht heisst, dass länger anhaltenden Veränderungen des Marktumfeldes, wie die vergangene Tiefzinsphase, überhaupt nicht Rechnung getragen werden soll. Daher ist auch Ansatz 2) nicht ausser Acht zu lassen, doch empfehlen wir keine überhasteten Handlungen, sondern allenfalls leichte Anpassungen nach und nach unter Beobachtung der weiteren Entwicklung der Bedingungen.

Erhöhung des Umwandlungssatzes?

Auch beim Umwandlungssatz und damit bei den langjährigen Garantien von Rentenzahlungen kann die Frage nach einer Erhöhung gestellt werden. Soll der Umwandlungssatz erhöht werden, wenn der technische Zinssatz steigt? Zur Erinnerung: Der Umwandlungssatz wandelt das Altersguthaben bei Pensionierung in eine lebenslange Altersrente um.

Hier würden wir zunächst davon abraten. Jährlich sich ändernde Umwandlungssätze sind den Versicherten nicht verständlich kommunizierbar. Generell stellt sich die Frage, ob Umwandlungssätze von 5% oder höher überhaupt erhöht werden sollen. Die gegenwärtige Situation mit risikolosen Zinsen um 1.4% und Umwandlungssätzen, die im Durchschnitt bei 5.4% liegen, lässt immer noch keine risikolose Finanzierung der Rentenversprechen zu. Ein Umwandlungssatz von 5.4% erfordert ca. 2.5% impliziten Zins (Vermögensertrag) für eine lebenslängliche, verlustfreie Rentenzahlung.

In der Startphase des BVG war der Umwandlungssatz eine risikolos finanzierbare Grösse. Eine Rückkehr zum BVG-Modell der ersten Stunde mit einem risikolos finanzierten Umwandlungssatz hätte den Vorteil einer hohen Krisenresistenz. Denn für die Sicherstellung der Rentenzahlungen müssten keine Anlagerisiken eingegangen werden, hingegen könnten die Rentner von Überschüssen profitieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit anfallen. Es stellt sich die Frage, wie man sicherstellen kann, dass man den zukünftigen Rentnern ein attraktives Rentenniveau bieten kann, insbesondere vor dem Hintergrund der Inflation. Der Inflationsausgleich für Rentner ist gesetzlich geregelt (Art. 36 BVG) und vorgesehen. Der Stiftungsrat kann sich dabei nicht nur auf das Vorhandensein von freien Mitteln abstützen, sondern muss die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtung beurteilen.

Anpassungen von laufenden Renten an die Preisentwicklung

Wann und wie sollen Alters- und Hinterlassenenrenten der Preisentwicklung angepasst werden? Die Frage stellt sich in einem Umfeld in dem die Inflation zurückgekehrt ist. Wenn wir eine Inflation von 4% in zwei aufeinander folgenden Jahren erfahren oder sogar von 8% in einem Jahr, entspricht dies dem Kaufkraftverlust einer Monatsrente. Es ist sofort klar, dass bei anhaltender Inflation in einer solchen Grössenordnung über einen Ausgleich der Kaufkraft diskutiert werden muss. Das BVG wurde in den 70er und 80er Jahren in einer Zeit mit Inflationsraten von bis zu 10% erdacht. Art. 36 BVG erinnert uns jährlich an die Pflicht, über die Anpassung an die Preisentwicklung einen Beschluss zu fassen. Nebst der obligatorischen Teuerungsanpassung von Hinterlassenen- und Invalidenrenten gemäss Anordnung des Bundesrates müssen insbesondere die Altersrenten entsprechend den finanziellen Möglichkeiten der Vorsorgeeinrichtung der Preisentwicklung angepasst werden. Für diese Anpassung ist zwischen einmaligen Bonuszahlungen und lebenslänglicher Erhöhung zu entscheiden. Aus heutiger Sicht sollte die einmalige Bonuszahlung mit der lebenslänglichen Erhöhung gleichberechtigt sein. Schliesslich ist es auch möglich, eine Obergrenze für verrentbare Altersguthaben zu definieren und den übersteigenden Teil als Kapital auszubezahlen. Eine Erhöhung des Umwandlungssatzes zum Inflationsausgleich empfiehlt sich allein schon deshalb nicht, weil damit nur die Neurenten profitieren.

Wieder-Verwirklichung des Ur-BVG-Modells

Während der Planungsphase des BVG seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts und seit der Einführung des BVG im Jahr 1985 bis ins Jahr 2000 lagen die Renditen von 10-jährigen Bundesobligationen die überwiegende Zeit deutlich über 4%. Mit einem damaligen Umwandlungssatz von 7.2% haben die Entwickler des BVG im Grundsatz risikolos finanzierbare Leistungsversprechen geschaffen. Die mit diesem Modell zu erwartenden Überschussrenditen wurden besonders in den 90er Jahren für die Höherverzinsung von Altersguthaben und für Rentenerhöhungen verwendet.

Dieselbe Konstellation entsteht heute wieder durch den Anstieg der Inflation und der Renditen von 10-jährigen Bundesobligationen. Wenn sich die Umwandlungssätze bei rund 5% einpendeln und die 10-jährigen Bundesobligationen 2% rentieren, wäre dieser Zustand wieder erreicht. Hiermit wird eine grosse Krisenresistenz der kapitalgedeckten Altersvorsorge erreicht. Das Vermögen selbst wird nicht risikolos angelegt, sondern kann eine Performance über dem risikolosen Zins erwirtschaften. Somit werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Überschüsse erzielt, die systematisch an die Destinatäre weitergegeben werden.

Autoren

Head of Retirement Romandie

Senior Associate, Retirement

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