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Artikel

Inflation und Lieferketten-Engpässe

Folgen für die Versicherungsverträge

Von Kilian R. Manz und Leo dos Santos | 14. Dezember 2022

Lieferketten-Engpässe bringen Industrieunternehmen zunehmend an ihre Grenzen und die Ursachen hierfür sind vielfältig.
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Folgen für die Versicherungsverträge

Lieferketten-Engpässe bringen Industrieunternehmen zunehmend an ihre Grenzen. Die Ursachen sind vielfältig: Nachwirkungen der Lockdowns in China, Container-Mangel, fehlende Lastwagen-Fahrer, Corona-bedingte Krankheitsausfälle und die Krise in der Ukraine sind die wesentlichen Auslöser.

Unterbrechungen der Lieferketten befeuern zudem die Inflation und treiben die Preise im schnellen Tempo nach oben. Unternehmen können die hohe Nachfrage nicht mehr bewältigen, was zwangsläufig zu steigenden Preisen führt. Die wirtschaftlichen Folgen sind für alle spürbar. Was in Zukunft noch durch die Energiekrise auf unsere Wirtschaft zukommt, ist heute nicht in Gänze absehbar. Bei zunehmender Unsicherheit stellt sich umso mehr die Frage nach dem Risikomanagement und der passenden Absicherungslösung. Doch wie wirken sich Inflation und Lieferketten-Engpässe auf die Versicherungsverträge in den einzelnen Sparten aus?

Sach- und Ertragsausfallversicherung

Die signifikant gestiegenen Rohstoffpreise und Baukosten führen zu einem höheren Schadenaufwand. Dabei verteuern sich nicht nur die Sachschäden, sondern auch die Ertragsausfallschäden, weil der Wiederaufbau-/ die Wiederbeschaffung sich verzögert und Haftzeiten ausgereizt werden könnten.

Drohende Unterversicherung - Inflation

Die Inflation birgt aber auch zunehmend die Gefahr einer Unterversicherung. Angesichts der steigenden Rohstoffpreise und Wiederherstellungs- oder Wiederbeschaffungskosten könnten die Versicherungssummen zu gering bemessen sein. Zugleich führen die hohe Nachfrage und das knappe Angebot dazu, dass Unternehmen ihre Einkaufspolitik für Material ändern: Sie kaufen nicht mehr auftragsbezogen, sondern auf Vorrat – dadurch erhöht sich die Lagermenge. Unternehmen sollten daher ihre Versicherungssummen sorgfältig überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Das gilt auch für die Haftzeiten in der Ertragsausfallversicherung.

Dies wiederum kann dazu führen, dass vereinbarte (Jahres-)Höchstentschädigungen nicht mehr ausreichend sind. In der Vergangenheit waren jedoch diese Summenbegrenzungen in einigen Fällen notwendig, um überhaupt ein Risiko von den Kapazitäten her versicherbar zu machen.

Die Folgen einer Unterversicherung können im Schadenfall erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen haben. Denn die Versicherer sind berechtigt die Entschädigungsleistung anteilig zu kürzen, wenn die Versicherungssumme niedriger ist als der tatsächliche Versicherungswert.

Marktumfeld - Inflation

Die Versicherer achten darauf, dass die Versicherungssummen der Inflation in den verschiedenen Ländern Rechnung getragen werden und, dass sie entsprechend oder zumindest angemessen angepasst werden. Für die Versicherer bedeutet gleiche Versicherungssummen über die Jahre entgangene Prämien. Deshalb und unabhängig von allfälligen Prämienerhöhung infolge der Marktlage wenden die Versicherer zusätzliche Erhöhungen an, um die Inflation zu berücksichtigen, falls die Versicherungssummen nicht entsprechend angepasst werden.

Transportversicherung

Der Umfang des Versicherungsschutzes in der Transportversicherung wird durch die Inflation derzeit nicht beeinträchtigt. Wir empfehlen dennoch

Versicherungsumfang zu überprüfen

Die Entschädigungsleistung ist in der Warentransportversicherung auf den tatsächlichen Wiederbeschaffungswert ausgerichtet. Das bedeutet: Selbst, wenn sich die Ware zwischen der ursprünglichen Bestellung und der Nachbestellung verteuert, stellen marktüblichen Policen vollen Versicherungsschutz bis zum Policen-Limit zur Verfügung. Da alle Limite auf erstes Risiko versichert sind, wird auch keine Unterversicherung angerechnet. Eine Überprüfung der Police-Limite wird jedoch angeraten.

In der Lagerversicherung wird in der Regel der Verkaufspreis eines Lagerobjektes gedeckt. Somit sind auch inflationäre Preissteigerungen bereits berücksichtigt und führen nicht zu finanziellen Mehrbelastungen.

Technische Versicherung

Auch die Technischen Versicherungen sind von der Inflation und den Lieferketten-Engpässen in allen Bereichen betroffen.

Versicherungssummen und Haftzeiten überprüfen

Zur Maschinenversicherung wirkt sich die Inflation – genau wie in der Sachversicherung – auf die Versicherungswerte aus. Steigende Preise erfordern im Schadenfall angepasste Versicherungssummen, um nicht in eine Unterversicherung zu geraten. Auch in der Maschinenversicherung lassen sich in der Schweiz Summen basierend auf Indizes anpassen – eine individuelle Überprüfung ist dennoch ratsam. Zu den Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherungen sind aufgrund der Lieferengpässe unbedingt die vereinbarten Haftzeiten zu hinterfragen. Diese können aktuell zu gering ausfallen.

Projekte verzögern sich

Bauleistungs- und Montagevorhaben können sich stark verteuern und verzögern. Grund dafür sind die massiven Kostensteigerungen und Materialknappheit durch Lieferprobleme. Hier dürfen die Versicherungssummen und die Bau- und Montagezeiten nicht zu knapp bemessen sein. Ausserdem sollten Unternehmen schon beim Versicherungsabschluss für Projektdeckungen Verlängerungsbeiträge verhandeln, um eine gewisse Planungssicherheit zu haben.

Haftpflichtversicherung

Auch in der Haftpflichtversicherung wirkt sich die Inflation gleichermassen aus. Betroffen sind Ansprüche auf Schadenersatz für die Reparatur und den Ersatz zerstörter Sachen eines Dritten.

Individuelle Inflationssätze höher

Die veröffentlichten Inflationssätze beziehen sich meist auf einen vorher festgelegten Warenkorb – damit sind sie ein Durchschnittswert. Allerdings liegen die individuellen Inflationssätze für einzelne Branchen, Güter und Dienstleistungen weit über den veröffentlichten Werten. Da nicht absehbar ist, welche Sachen eines Dritten Schaden nehmen werden, sollten Unternehmen die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme sowie die Summe für besondere Risiken überprüfen und anpassen. Für diese Sonderrisiken stehen meist nur deutliche geringere Versicherungssummen innerhalb des Vertragslimits zur Verfügung.

Weitere Kostentreiber

Neben der Inflation gibt es weitere Ursachen für die Verteuerung der Schadensersatzansprüche:

  1. „Social Inflation“: Verteuerung gerichtlicher Entscheidungen im Zusammenhang mit Schadenersatzansprüchen
    Social Inflation ist ein Phänomen, das sich im Zusammenhang mit besonderen Rechtssystemen ergibt. Vor allem die gerichtlichen Juryverfahren in den USA spielen dabei eine grosse Rolle. Die Problematik: Social Inflation ist nicht nur in der allgemeinen Haftpflicht, sondern insbesondere auch für die Motorfahrzeug-Haftpflicht zu berücksichtigen. Motorfahrzeug-Risiken werden für US-Risiken nach einer eigenständigen Priorität in der allgemeinen Haftpflichtversicherung abgesichert. Besonders in der Konstellation „klein gegen gross“ sprechen die Jurys sehr hohe Schadensummen zu. Diese Urteile sind in den meisten Fällen zwar nicht rechtskräftig und werden in den weiteren Instanzen reduziert, doch sie geben eine Tendenz wieder, die zu berücksichtigen ist.

    Waren bisher Massenklagen in den USA die Ursache für extreme Schadenkosten, stellen wir heute fest, dass Jurys auch bei einzelnen Ansprüchen unvorstellbare Entschädigungen zusprechen – die teils sogar erreichbar sind. Auch in Europa werden Massenklagen möglich, wenn auch die Gesamtsumme je einzelnem Teilnehmer und in der Gesamtheit unter dem Niveau der USA bleibt.

  2. Verteuerung der medizinischen Versorgung und Pflege
    Die medizinischen Möglichkeiten und die Kosten für die eingesetzten Apparate haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten hyperinflationär entwickelt. Dies sorgte dafür, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit von verletzten Personen kontinuierlich gestiegen ist.

    So begrüssenswert diese Entwicklung aus Sicht der Betroffenen ist, so intensiver werden sich jedoch Haftpflichtversicherer die Frage stellen, wie sie künftig angesichts dieser Kostenexplosion kalkulieren. Für Unternehmen bedeutet dies jedoch, dass sie weiterhin mit ansteigenden Prämien rechnen müssen.

Cyber- und D&O-Versicherung

D&O: Potenzieller Preisanstieg bei Abwehrkosten

Ein Bereich, in dem die Inflation bereits erste Einflüsse auf die D&O-Versicherung hat, sind die Abwehrkosten. Dies betrifft insbesondere die Dienstleister, die den Abwehrzweck der Haftpflichtversicherung erfüllen: Rechtsanwaltskanzleien, aber auch Sachverständige und Gutachter, die im Einzelfall hinzugezogen werden, geben die erhöhten Kosten über ihre Rechnungen an die Versicherer weiter. Noch halten sich diese Kosten im Rahmen, eine kontinuierliche Überprüfung ist allerdings erforderlich.

Für Unternehmen heisst es nun: Versicherungssumme überprüfen. Wer bereits jetzt eine verhältnismässig geringe Versicherungssumme einkauft, läuft Gefahr, zukünftig unterversichert zu sein, sollten sich die Kostenpositionen weiter erhöhen.

Entschädigung bei Betriebsausfall noch angemessen?

Leicht verschärft wirkt sich die Inflation zurzeit bei Cyber-Versicherungen aus. Neben den oben angeführten Aspekten der erhöhten Kosten durch externe Dienstleister wie beispielsweise IT-Forensiker haben hier auch Betriebsunterbrechungen einen grösseren Einfluss. Im Fall eines Cyber-Angriffes zahlt der Versicherer nämlich die Kosten des Betriebsausfalles inklusive des entgangenen Gewinns. Versicherungsnehmer sollten also überprüfen, ob Karenzfrist sowie Versicherungssumme, anhand dessen die Entschädigung geleistet wird, im Schadenfall noch angemessen sind.

Motorfahrzeug (Flotten) Versicherung

Im Bereich der Motorfahrzeugversicherungen wirken sich Verzögerungen bei den Lieferketten, verteuerte Ersatzteile und höhere Stundenverrechnungssätze direkt auf den Schadenaufwand der Versicherer aus. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch eine erhöhte Schadenhäufigkeit, die aus der wieder angestiegenen Mobilität nach den Lockdown-Phasen resultiert. Nach Schätzungen aus dem Erst- und Rückversicherungsmarkt steuern die Motorfahrzeug-Versicherer damit im Bereich der Flottenversicherung für 2022 erstmals seit Jahren auf rote Zahlen zu, wohingegen die Prämien für Einzel-Motorfahrzeugversicherung eher stabil bleiben sollten. Daraus werden sich zum nächsten Vertragsablauf mögliche Prämienerhöhungen ergeben, die über der aktuellen Inflationsrate liegen könnten.

Wir empfehlen folgende Massnahmen:

Unternehmen sollten überprüfen, ob Sie bisher versicherte Risiken auch durch höhere Selbstbeteiligungen oder Eigentragung übernehmen können. Damit tragen sie den anteiligen Schadenaufwand zwar selbst, Versicherungssteuer und Verwaltungskostenanteil in der Prämie entfallen aber.

Schadenprävention durch Sensibilisierung und Schulung der Fahrer kann die Schadenfrequenz reduzieren. Die meisten Versicherer bieten hierzu entsprechendes Info-Material an.
Durch eine aktive Schadensteuerung mit einem optimierten Unfall- und Reparaturmanagement können Unternehmen die Ausfall -und Reparaturkosten reduzieren.

Kreditversicherung

In der Kreditversicherung haben steigende Preise einen ständig wachsenden Limit-Bedarf zur Folge. Versicherungsnehmer müssen ihre Limite dementsprechend anpassen. Da dies in der Breite geschieht, wächst das Risikoportfolio der Kreditversicherer stark – und das zu einer krisenträchtigen Zeit, in der die Kreditprüfung hauptsächlich auf die Zahlen der von der Pandemie geprägten Jahre 2020 und 2021 zurückgreift.

Zusätzliche Deckung durch Top-up-Versicherung

Obwohl Kreditversicherer vergleichsweise mehr Deckungskapazitäten zur Verfügung stellen, prüfen sie die Risiken sehr genau – teilweise begleiten Primärversicherer die Limit-Erhöhungen nicht mehr. Hier kann ein externer Top-up-Versicherer sehr häufig die Lösung sein. Auch die Anbietungspflichten bei den Top-up-Versicherern lassen sich mittlerweile sehr gut auf den Einzelfall anpassen.

Weiterhin reicht in einigen Fällen durch die erhöhten Limit-Volumina die vertragliche Höchstentschädigung nicht mehr aus. Hier sollten Unternehmen unbedingt direkt und unterjährig mit dem Versicherer verhandeln, damit die Höchstentschädigung wieder ausreichend dokumentiert wird.

Lösungen für bessere Liquidität

Die steigenden Kosten und erhöhten Finanzierungsvolumina führen vermehrt zu Anzahlungsforderungen der Lieferanten. Auch diese können nach Prüfung und Zustimmung des Versicherers im Rahmen der Kreditversicherung abgesichert werden. Die zusätzliche Klausel muss aber Eingang in die Police finden. Auch eine bankenunabhängige Finanzierung im Rahmen von Factoring kann bei steigendem Finanzierungsbedarf Luft verschaffen. Überdies gibt es auch verschiedene Supply-Chain-Lösungen, welche die Liquidität schonen können. Wenn zusätzlich noch Bürgschaftsbedarf besteht und dieser regelmässig über die Banken bedient wird, so können Unternehmen dieses Volumen (oder Teile davon) über private Kautionsversicherer herauslegen. Die Bürgschaftsrahmen bei der Bank werden auf die vereinbarten Linien angerechnet. Ein geschickter Makler kann Teile bei den privaten Versicherern platzieren, sodass dem versicherten Unternehmen wieder mehr Spielraum in der Banklinie entsteht.

Weiterhin führen die Preissteigerungen zu einem massiven Anstieg der Auftragswerte bei langfristigen Projekten. Versicherer sind in Einzelfällen nicht mehr in der Lage, neue Risiken allein in die Bücher zu nehmen. Eine fehlende Absicherung bedeutet jedoch Nachteile bei der Verhandlung der Milestone-Zahlungen, was Wettbewerber aus anderen Ländern für sich ausnutzen können. Mit einer Absicherung im Rücken lassen sich die Zahlungskonditionen jedoch viel vorteilhafter verhandeln. Daher führen Makler im Rahmen einer Syndizierung Versicherer zusammen und können so die volle Absicherung im Kundensinne am Markt platzieren.

Wir beraten Unternehmen

Die Risikolandschaft wird zunehmend komplexer und herausfordernder. Wir stehen mit umfassender Beratung Unternehmen jederzeit zur Verfügung. Unsere Fachexperten entwickeln nach individuellen Bedarf Lösungen. Sprechen Sie uns gerne an!

Autoren

Head of Risk & Broking Schweiz


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