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Artikel | HR Perspectives

Leveling und Stellenarchitektur der Zukunft

Was wir von führenden Tech-Unternehmen lernen können.

24. November 2022

Work Transformation|Employee Experience|Ukupne nagrade
The Future of Work and Rewards – aktuelle Themenreihe 2022

Pionierarbeit mit vielen Neuerungen

Führende Technologie-Unternehmen wie Google, Netflix oder Spotify prägen die Lebens- und Arbeitswelt der Zukunft, nicht nur durch ihre Produkte, sondern auch durch ihre Arbeitsweisen. Es waren Technologie-Unternehmen, die sich intensiv der Frage gewidmet haben, wie man Arbeit in komplexen sozialen Systemen, wie sie selbst es sind, für alle Beteiligten besser organisieren kann und wie man diese Ansätze auf immer größere Einheiten erfolgreich skaliert.

Ihre Pionierarbeit hat heutige Vorstellungen von Aufbau- und Ablauforganisation weit über die Tech-Branche hinaus revolutioniert. Wichtige Neuerungen sind etwa flache Hierarchien, Netzwerke aus selbstorganisierten Teams, kurze Iterationen von Versuch und Irrtum, kontinuierliches Lernen, radikaler Fokus auf Kunden- bzw. User-Experience, Peer-Feedback, permanent wechselnde Rollen, ein hoher Grad von Transparenz sowie die herausragende Bedeutung der Unternehmenskultur.

Die neuartige Arbeitsorganisation der Tech-Unternehmen hat auch einen neuen, experimentelleren Umgang mit den traditionellen Systemen und Prozessen rund um Leveling und Stellenarchitektur mit sich gebracht. Sie sind laut der WTW-Studie „The Start-up-Experience“ aus dem Jahr 2019 für Start-ups in den ersten Jahren kein Thema und werden erst ab einer Größe von mehreren Hundert Mitarbeitenden nach durchschnittlich fünf oder mehr Jahren überhaupt relevant. Dann gilt: so viel Flexibilität wie möglich, so viel Struktur wie nötig. Und immer unter der Prämisse: People over Process.

Was machen Technologie-Unternehmen in Sachen Leveling und Stellenarchitektur konkret anders?

Betrachten wir dazu den plakativ dargestellten Dreiklang aus Struktur, Prozessen und Erfahrung sowie die fortlaufende Evolution des Vorgehens.

Struktur: Klarheit bieten und funktionale Silos aufbrechen

Typische Strukturelemente in Technologie-Unternehmen sind

  • multiple Karrierepfade (wie Managementkarriere, Fachkarriere sowie ein Technologie-Pfad für die erfolgskritischen Tech-Rollen),
  • breite Level (so hat der Tech-Pfad von Spotify nur vier Level: Individual, Squad/Chapter, Tribe/Guild, Technology/Company),
  • Stellenfamilien und/oder Disziplinen (etwa Software Development, Project Management)
  • mit generischen, mehr oder minder formal beschriebenen Rollen (zum Beispiel Scrum Master, Software Developer, Release Train Engineer)
  • sowie zunehmend Skills als ergänzende, unabhängige Dimension.

Damit sollen Mitarbeitende Klarheit gewinnen über individuell passende Entwicklungsmöglichkeiten – lateral wie vertikal. Und es geht darum, funktionale Silos und vorgegebene Pfade zu vermeiden. Auch wenn die Kriterien der Level-Beschreibungen vertraut klingen (Einfluss, Wissen & Können, Problemlösung/Innovation etc.), sind diese hier eher als Erwartungshorizont bzw. Verhaltensanker formuliert. Häufig werden rollenübergreifende und rollenspezifische Aspekte in der Levelabgrenzung kombiniert.

Levelkriterien werden meist als Teil der Karrierelandschaft offengelegt; zum Teil sind sie auch für externe Bewerber einsehbar. Sie helfen, den Dialog zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft zu vertiefen und individuelle Entwicklung zu ermöglichen. Eine Verknüpfung von Level und Vergütung sowie level- und rollenbasiertes Vergütungsbenchmarking sind auch in Technologie-Unternehmen Standard. Wie transparent Technologie-Unternehmen in Bezug auf individuelle Level und Vergütungsregelungen sind, ist sehr unterschiedlich. Nicht alle Technologie-Unternehmen setzen hier auf radikale Transparenz.

Prozesse: schlank und kulturell gut verankert

Der Leitsatz People over Process führt zu sehr schlanken Prozessen. Gerade bei Fachrollen wird der Interdependenz von Position/Rolle und Person Rechnung getragen: Die Rolle „atmet“ mit dem Mitarbeitenden, der Mitarbeitende „atmet“ mit seinen Rollen. Es erfolgt keine klassische Stellenbewertung, sondern eine Einordnung der Mitarbeitenden in eine eher grob angelegte Karriere- und Rollenlandschaft. Karriereentwicklung bedeutet hier, dass sich Mitarbeitende in unterschiedlichen Rollen auf sehr individuelle Weise durch die Karrierelandschaft bewegen.

Entwicklung und Beförderung auf das nächste Level erfolgen im Rahmen eines partizipativen Planungs- und Beratungsprozesses mit Führungskräften und unter Einbeziehung von Peer-Feedback auf Basis transparenter Kriterien, die Orientierung geben, aber nicht mechanistisch interpretiert werden sollen. Der Fachbereich spielt die zentrale Rolle, der Personalbereich berät auf Basis von Daten. Betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen, gesunder Menschenverstand und bereichsübergreifende Multiperspektivität tragen den Prozess und sichern die Ergebnisqualität. Es gilt: Dialog statt Administration, organisationales Lernen statt Kontrolle. Dass schlanke Prozesse mit einem Minimum an Kontrolle funktionieren können, sichert die tiefe kulturelle Verankerung und das gemeinsame (Weiter-)Entwickeln des Vorgehens.

Erfahrung: Inspiration für eine individuelle Entwicklung

Für den Mitarbeitenden liegt der Fokus auf Entwicklung, nicht auf Beförderung. Wichtige Entwicklungsschritte, wie ein erfolgreich beendetes Projekt, werden ins Rampenlicht gestellt, weniger die formalen Karriereschritte. Tatsächlich gelingt es Technologie-Unternehmen regelmäßig, eine Mitarbeitererfahrung zu schaffen, die diese als einfach, klar, transparent und flexibel beschreiben. Die Struktur liefert Inspiration für Entwicklungsmöglichkeiten und lässt genügend Raum für individualisierte Wachstumspfade. Die Erfahrung von Struktur und Prozessen fügt sich in den Arbeitsprozess und das Wachsen an den eigenen Aufgaben ein. Mitarbeitende und Unternehmen begegnen sich auf Augenhöhe.

Aus Sicht der Führungskräfte integrieren sich Struktur und Prozesse nahtlos in ihre Planungs- und Steuerungsverantwortung. Leveling und Architektur liefern den notwendigen Bezugsrahmen sowie bereichsübergreifende Transparenz. Von zentraler Bedeutung ist die Bereitstellung entscheidungsunterstützender Daten sowie entsprechender Beratung durch den Personalbereich. Google mit seinem People Analytics-Ansatz ist hier der prominenteste Vertreter.

Evolution: suchen, tasten, besser werden

Die heutige Praxis der Tech-Unternehmen ist weniger homogen als die oben dargestellten Gemeinsamkeiten andeuten. Sie sind jeweils das Ergebnis einer höchst individuellen, unternehmensspezifischen Evolution. Technologie-Unternehmen kommen häufig aus einer Start-up-Historie mit minimalen Strukturen und Prozessen, einer zwangsläufigen, oft aus der Not geborenen, später dann bewusst kultivierten Mitarbeiterzentriertheit und ausgeprägten Flexibilität. Ihre heutigen Praktiken sind nicht übergestülpt, sondern in einem fortlaufenden Suchen und Tasten gemeinsam mit Führungskräften und Mitarbeitenden entwickelt worden. Sie sind Teil der kulturellen DNA ebenso wie die fortlaufende Reflexion, Verprobung und Weiterentwicklung. Alles ist im Fluss.

In Deutschland bedeutet diese fortlaufende Weiterentwicklung eine enge, vertrauensvolle und kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Betriebsräten: Co-Creation im Rahmen der Mitbestimmung. Für viele traditionelle Unternehmen und ihre Betriebsräte ist dies Neuland.

Was bedeutet das für traditionelle Unternehmen?

Können traditionelle Unternehmen von Technologie-Unternehmen lernen? Jein. In der Regel haben traditionelle Unternehmen einen völlig anderen Ausgangspunkt als die ehemaligen Start-ups der Technologie-Branche. Traditionelle Unternehmen sind heute mehr oder minder mit organisatorischen „Altlasten“ beladen: viel zu viel Struktur, Prozesse, Systeme, Vorgaben, Abstimmungsrunden, Komitees, alles auf Basis ererbter Annahmen und Glaubenssätze aus einer vergangenen Zeit, vieles davon angesichts einer hochdynamischen Arbeitswelt und knapper Talente längst obsolet.

Dieses kulturelle „Operating System“ zu ändern, erfordert Mut, Beharrungsvermögen und Experimentierfreude. Insofern können die Praktiken von Technologie-Unternehmen Inspiration sein für die jeweils eigene Reise, aber sie eignen sich nicht zum Kopieren. Der Weg ist das Ziel. Wie gute Lösungen in Ihrem Unternehmen aussehen, lässt sich nicht vorwegnehmen, sondern nur in fortlaufender Interaktion mit dem Unternehmenssystem und den einzelnen Akteuren erarbeiten. Wie für jede Reise gilt, sie beginnt mit dem ersten Schritt. Viele Unternehmen sind bereits auf dem Weg. WTW begleitet auch Sie dabei sehr gern.

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