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Artikel | Risk Perspectives

Rückversicherung: mehr Kapital, mehr Kapazitäten?

MarktSpot Q1 2024

Von Safak Okur | 25. März 2024

Die Rückversicherungskapazität erholt sich, bei steigender Nachfrage – nicht zuletzt, weil neue Rückversicherer in den Markt eingetreten sind. Ob Unternehmen aufatmen können, bleibt abzuwarten.
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Rückversicherer kämpfen mit der Inflation ebenso wie mit der gestiegenen Unsicherheit in vielen Bereichen. Naturkatastrophen mit hohen Schadenbelastungen nehmen zu; zugleich will die Wirtschaft bei einer klimafreundlichen Transformation zuverlässig begleitet werden. Die Unternehmen haben verstanden, dass sie Daten und KI besser einsetzen müssen, um in diesem schwierigen Umfeld zurechtzukommen. Dies alles erfordert jedoch hohe Investitionen. Und so bleibt es fraglich, ob damit auch dauerhaft mehr Kapazitäten im Markt vorhanden sind – obwohl das Rückversicherungskapital 2023 gestiegen ist und sich das Prämienniveau verbessert hat. Auch die neuen Marktteilnehmer müssen sich erst noch etablieren und sind zunächst mit geringen Kapazitäten in Deutschland eingestiegen.

Somit bleibt der Kapitalbedarf in der Rückversicherung weiterhin hoch. Zugleich nehmen die im Hintergrund agierenden Risikoträger zunehmend eine Schlüsselrolle in der Industrieversicherung ein – auch weil sie oft die Bedingungen diktieren, die Unternehmen für eine Deckung erfüllen müssen. Ihre Bedeutung lässt sich besonders an drei Topthemen für 2024 – PFAS, Cyber- und Klimarisiken – erkennen.

PFAS-Ausschlüsse: „Hot Topic“ 2024

Die Klagewellen in den USA gegen Hersteller, die PFAS einsetzen und das geplante EU-Verbot, PFAS zu verwenden oder in den Verkehr zu bringen, haben Industrieunternehmen und Versicherer im vergangenen Jahr aufgerüttelt. Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind Chemikalien, die in ca. 10.000 Stoffgruppen vorkommen. Da sie witterungs-, feuer- und hitzebeständig ebenso wie fett-, schmutz- und wasserabweisend sind, finden sie sich in nahezu allen Bereichen des Lebens, ob in Verbraucherprodukten oder Maschinen und Anlagen. Ein „Zurück“ ist nur bedingt möglich, aber Schadenlast und Umweltrisiken sprechen für sich. Rück- und Erstversicherer sowie die produzierenden Unternehmen müssen nun zusammenarbeiten, um die Herausforderung PFAS zu meistern.

Zunächst sind Haftpflichtversicherer aufgefordert, der Industrie bei diesem Wandel als Partner zur Seite zu stehen und sich PFAS-Risiken im Detail anzuschauen. Noch stehen sie jedoch unter dem Druck der Rückversicherer, die bereits für 2024 vielfach mit generellen Ausschlussklauseln reagieren könnten.

Doch mit Ausschlüssen ist der Industrie nicht geholfen: Unternehmen müssen deshalb handeln und ihrerseits Klarheit über die von ihnen verwendeten Stoffe schaffen: Nicht alle Stoffe gelangen in die Umwelt oder verursachen Gesundheitsschäden; einige Substanzen sind ersetzbar, andere weniger. Betroffen sind hier vor allem die Chemiebranche, Hersteller von Konsumprodukten und jene Maschinen- und Anlagenbauer, die PFAS in der Produktion einsetzen.

Cyber-Policen: Rückversicherer fordern hohe IT-Standards

Der wachsende Einfluss der Rückversicherer zeigt sich auch bei Cyber-Policen. 2023 waren die Schadenquoten infolge von Ransomware-Vorfällen und Angriffen auf digitale Lieferketten weiterhin hoch. Zudem werden Hackeraktivitäten immer ausgefeilter, und neben dem Angriff auf einzelne Unternehmen nimmt der Trend zu, in die Systeme von Cloud-Anbietern einzudringen und damit gleich Schäden, um ein Vielfaches zu verursachen. Der Bedarf nach Deckung steigt entsprechend. Zwar bleiben die Prämien bislang auf hohem Niveau stabil – aber im Gegenzug erwarten Versicherer, dass Unternehmen in technische Schutzvorkehrungen investieren, Angriffsstrategien sowie neu auftretende Schwachstellen im Blick behalten und ihre Infrastruktur an verschärfte gesetzliche Rahmenbedingungen anpassen.

Auch hierfür sind Rückversicherer die treibende Kraft, die maßgeblich darüber entscheidet, ob und zu welchen Bedingungen Unternehmen Deckung erhalten. Die meisten von ihnen haben Zugriff auf eine hervorragende Datenbasis, um Cyber-Risiken adäquat einschätzen zu können. Unternehmen, die ihre Risiken transferieren wollen, benötigen ihrerseits eine eigene Cyber-Risikoquantifizierung. Nur so können sie die vorgeschriebenen Konditionen erfüllen und ihre Verhandlungsposition stärken.

Naturgefahren und Klimarisiken

Auch 2023 führten Naturkatastrophen zu einer hohen Schadenlast, vor allem im Sach- und Kfz-Bereich. Rückversicherer wollen deshalb nur vereinzelt ihre verbesserten Ergebnisse nutzen, um mehr Kapazitäten in der Absicherung von Klimarisiken zu schaffen. In erster Linie fordern sie von Unternehmen ein, dass diese ihre Risikoexponierung und die Auswirkungen des Klimawandels selbst genauer kennen und darstellen können.

Im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken vollziehen Rückversicherer zurzeit einen Balance-Akt: Einerseits sind sie gezwungen, sich erkennbar aus dem Geschäft mit fossilen Projekten zurückzuziehen. Andererseits müssen sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie Versicherer und Unternehmen ausreichend unterstützen, um den Klimawandel zu bewältigen und die grüne Transformation zu schaffen. Wie hilfreich sind sie bei der Entwicklung neuer Versicherungslösungen – etwa für neue Technologien zur Stromgewinnung, Energiespeicherung oder Energieproduktion?

In diesem Spannungsfeld müssen Rückversicherer, trotz des zusätzlichen Kapitals im Markt, hohe Investitionen tätigen und im Underwriting entsprechende Sorgfalt walten lassen. Denn eins ist sicher: Stabilisiert sich der Rückversicherungsmarkt, bringt dies auch Entlastung für Erstversicherer – und damit für die versicherungsnehmende Wirtschaft.

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WTW MarktSpot Q1 2024 PDF .8 MB
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Head of Broking Germany/Austria

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