Mit Hauptinhalt fortfahren
main content, press tab to continue
Artikel | HR Perspectives

Die „Highest Paid Ratio“ – wieso, weshalb, warum?

Von Stephanie Schmelter und Ralph Lange | 14. März 2024

Bei der Vorstandsvergütung muss lt. ESDS zukünftig über das Highest Paid Ratio berichtet werden, was zu unterschiedlichen Auslegungsfragen führt.
Executive Compensation
N/A

Im Juli letzten Jahres hat die Europäische Kommission im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mittels Delegierter Verordnungen die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) verabschiedet. Der Highest Paid Ratio ist im Standard ESRS S1-16 Absatz 95 verankert: „Das Unternehmen hat das Verhältnis zwischen der Vergütung der höchstbezahlten Einzelperson und dem Median der Vergütung seiner Beschäftigten anzugeben“. Auf eine lokale Adaption der Verordnung muss nicht gewartet werden, denn sie ist in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Der Zeitpunkt der erstmaligen Berichtspflicht ist jedoch gestaffelt. Zuerst müssen im Jahr 2025 die Unternehmen, die bereits einer CSR-Berichtspflicht unterliegen die „Highest Paid Ratio“ für das Finanzjahr 2024 berichten. Ab Anfang 2027 müssen dann alle in einem EU-reguliertem Markt notierten Unternehmen sowie nicht börsennotierte Unternehmen, die mindestens zwei der von drei definierten Größenkriterien erfüllen (Bilanzsumme von mindestens 20 Mio. Euro, Nettoumsatz von mindestens 40 Millionen Umsatz, mindestens 250 Mitarbeiter) für das Jahr 2026 berichten. Es stellen sich allerdings eine Reihe von Auslegungsfragen, die nicht eindeutig beantwortet werden können. Im Folgenden der Versuch einer Einordnung.

Wer ist die höchstbezahlte Person im Unternehmen?

Die naheliegendste Antwort: die oder der Vorstandsvorsitzende. Dies mag in 90% der Unternehmen der Fall sein, aber es gibt Unternehmen, bei denen dies nicht zwangsläufig so ist. Seien es Segmentvorstände in den USA, Investmentbanker oder anderweitige hoch bezahlte Sonderfunktionen. Muss in diesem Fall die Vergütung dieser Person zur Ermittlung des Verhältnisses herangezogen werden? Wir denken, dass es so nicht gedacht war, da mehrfach auf die „überhöhte Vergütung von Mitgliedern der Leitungsorgane“ hingewiesen wird. Weshalb bezieht sich die Regelung dann nicht gleich auf einen „CEO Pay Ratio“? Vermutlich, weil es in anderen Ländern aufgrund der unterschiedlichen Governance-Struktur Organfunktionen gibt, die mehr verdienen als der CEO, beispielsweise der „Chairman of the Board“ in Spanien.

Wie ist der Kreis der Beschäftigten zu definieren?

Im Anhang der Richtlinie wird Beschäftigte wie folgt definiert: „Einzelpersonen, die mit dem Unternehmen in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, das den nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entspricht.“ Es gibt jedoch weitere Definitionen im Anhang zu den Begriffen „eigene Belegschaft / eigene Arbeitskräfte“ sowie „nicht angestellte Beschäftigte“. Unsere Auslegung ist, dass nicht angestellte Beschäftigte, wie zum Beispiel Vertragspartner oder Subunternehmer, nicht in der Aufstellung zu berücksichtigen sind.

Des weiteren ist davon auszugehen, dass die Regelung auf alle Beschäftigte weltweit abzielt. Allerdings denken wir, dass es unter bestimmten Bedingungen – die entsprechend in der Berichterstattung zu erläutern sind – möglich ist, den Beschäftigtenkreis einzuschränken: sollten beispielsweise 80% der Beschäftigten in Deutschland arbeiten, ist es wenig wahrscheinlich, dass der Median außerhalb Deutschlands liegen wird.

Wie genau ist die jährliche Gesamtvergütung definiert?

Leider sind Diskrepanzen in der Definition der jährlichen Gesamtvergütung im Annex zur Richtlinie und der Anwendungsanforderung zu finden. Während an der einen Stelle kein Bezug zur betrieblichen Altersversorgung auftaucht, wird an anderer Stelle die Änderung des Rentenwerts als zu berücksichtigender Gehaltsbestandteil genannt. Wir gehen davon aus, dass die Gesamtvergütung auch ohne Berücksichtigung der Pensionen verwendet werden kann, da die Daten insbesondere unter Berücksichtigung der weltweiten Belegschaft in aller Regel nicht abbildbar wären.

Eine sehr naheliegende Frage ist: mit welchen Werten sind die variablen Gehaltsbestandteile zu berücksichtigen? Hier wäre der pragmatische Vorschlag, sich an den Vergütungswerten zu orientieren, die zumindest börsennotierte Gesellschaften bereits für die vergleichende 5-Jahres-Darstellung im Vergütungsbericht verwenden. Allerdings sieht die ESRS für die Werte von Long-Term Incentives vor, dass diese mit ihrem beizulegenden Zeitwert anzugeben sind – wir gehen davon aus, dass sich dies auf die im Berichtszeitraum gewährten Long-Term Incentives bezieht. Dies entspricht nicht den Ansätzen in der vergleichenden Darstellung

Zurück zu „Wieso, weshalb, warum?“

Es fällt schwer, gute Argumente zu finden. Hätte sich die Richtlinie wenigstens an den Vorgaben der Aktionärsrechterichtlinie orientiert, hätten zumindest alle börsennotierten Unternehmen, die in der vergleichenden Darstellung abgebildeten Werte zur Kalkulation des Verhältnisses heranziehen können. So einfach ist es aber nicht, da die Diskrepanzen zwischen den beiden Regelwerken zu groß sind: Median statt Durchschnitt, weltweite Belegschaft statt freier Wahl des Kreises der Arbeitnehmer bis hin zu unterschiedlichen Vergütungsdefinitionen. Dies bedeutet auch, dass die Highest Paid Ratio nicht dem Verhältnis entsprechen wird, das theoretisch aus der vergleichenden Darstellung ableitbar ist.

Ein Vergleich der Highest Paid Ratio zwischen einzelnen Unternehmen, selbst wenn sie in der gleichen Branche tätig sind, sollte aufgrund der unternehmensspezifischen Besonderheiten vermieden werden. Ein Vergleich der Werte eines Unternehmens im Zeitverlauf, machbar aber ebenso gefährlich im Falle von Umstrukturierungen oder Änderungen an den Vergütungssystemen.

Autoren

Senior Director Executive Compensation, Work and Rewards
Germany/Austria

Director Executive Compensation, Work and Rewards
Germany/Austria

Contact us