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Artikel

Wie geht es für Versicherer nach COP26 in Sachen Klima weiter?

Sechs Bereiche für Maßnahmen

Von Heike Klappach und Heloise Rossouw | 21. Januar 2022

COP26 in Glasgow ist vorbei. Was können Versicherer bis nächstes Jahr um diese Zeit getan haben, um ESG-Prinzipien („Environmental, Social, Governance“) in ihrer Strategie voranzubringen und sowohl ihre eigenen als auch allgemeinere Versprechungen zur Klimaneutralität zu unterstützen? 
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Auch wenn COP26 in Glasgow nicht zu den weithin geforderten Verpflichtungen der Regierungen geführt hat, so wurde doch die Rolle und die Erwartungen an die Finanzinstitute und die Finanzdienstleistungsbranche als Ganzes bei der Umstellung auf Klimaneutralität und der Übernahme sozialer Verantwortung intensiver beleuchtet. 

Dies war die erste UN-Klimakonferenz mit einer großen Teilnehmerzahl aus dem privaten Sektor und es wurde allgemein anerkannt, dass Probleme gemeinsam vom öffentlichen und privaten Sektor angegangen werden müssen. Der vielleicht sichtbarste Beweis dafür war, dass 450 Banken und Versicherungen, die der Glasgow Financial Alliance for Net Zero („Gfanz“) angehören, 130 Billionen US-Dollar für die Bekämpfung des Klimawandels bis zum Jahr 2050 zugesagt haben.

450 Banken und Versicherungen, die der Glasgow Financial Alliance for Net Zero ("Gfanz") angehören, haben 130 Billionen US-Dollar für die Bekämpfung des Klimawandels bis zum Jahr 2050 zugesagt.

Die Forderungen nach mehr Transparenz im Finanzsektor und einem Ende des "Greenwashing" als Teil der Konferenzbotschaft "Coal, Cash, Cars and Trees" waren in vielen Diskussionsrunden und Plenarsitzungen zu hören.

So können einerseits (Rück-)Versicherer auf der ganzen Welt in den kommenden Monaten und Jahren mit einer weiteren Reihe von klimabezogenen Regulierungs- und Berichterstattungspflichten rechnen, während andererseits COP26 mit ziemlicher Sicherheit auch den Druck zum Handeln erhöhen wird, der bereits vor der Konferenz von Interessengruppen, einschließlich Mitarbeitern und Kunden, aufgebaut wurde. Sich jedoch nur auf Klimathemen zu konzentrieren, reicht nicht aus. 

Grundsätzlich ist die Bekämpfung des Klimawandels durch die Verringerung der Treibhausgasemissionen eine große Chance für die Versicherungsbranche, und zwar aus mehreren Blickwinkeln, wie bereits bei der Gründung der Net Zero Insurance Alliance erkannt wurde. Dies betrifft die Erwirtschaftung von Kapitalerträgen, das Zeichnen von Risiken und die Bereitstellung von bedingtem Kapital aber auch die Chance für ein breiteres Kundenengagement und die Verbesserung der Reputation. Die während COP26 eingegangenen Verpflichtungen, wie z.B. das Ziel, die Ausgaben für Anpassung und Resilienz zu verdoppeln, und Initiativen wie die Verpflichtung der USA, Großbritanniens und der EU zu grüner Infrastruktur sind definitiv positiv für die Versicherungsbranche zu bewerten. 

Was also können Versicherer kurzfristig tun, um sich auf diese Themen vorzubereiten und klimabezogene Chancen zu nutzen? 

Vorbereitung auf den Wandel

Auf dem Weg den Klimawandel und die Auswirkungen für die Unternehmen besser einschätzen zu können, hält es WTW für wichtig, dass die Unternehmen 

  • eine Strategie und einen Übergangsplan entwickeln, der Klimaaspekte berücksichtigt;
  • diese Strategie umsetzen durch einen entsprechenden Produktmix und neue Produkte in der Lebens- und Nichtlebensversicherung, Berücksichtigung im Underwriting, in der Reservierung, in der Kapitalmodellierung und bei Investitionen sowie die damit verbundene Governance;
  • das unternehmenseigene Klimarisiko umfassend quantitativ bewerten;
  • Klima- und ESG-Kriterien ins Monitoring, Reporting und Risikomanagementsystem aufnehmen.

Sechs Bereiche für Maßnahmen

Für diesen Artikel haben wir sechs Bereiche für vorrangige Maßnahmen und Untersuchungen/Investitionen herausgegriffen, von denen Versicherer aus unserer Sicht im nächsten Jahr und darüber hinaus profitieren können - denn die Zeit des Redens ist vorbei.

  1. 01

    Erweiterung des derzeitigen Verständnisses der Auswirkungen von physischen und transitorischen Risiken auf Kapitalanlagen und Versicherungstechnik; Schaffung von Grundlagen für die quantitative Bewertung

    Die Quantifizierung von Risiken ist von grundlegender Bedeutung ebenso wie das Vorhandensein eines Frameworks, das die Nuancen des Klimarisikos angemessen widerspiegelt. Die Exponierung gegenüber Klimarisiken hängt von der Ebene ab, auf der die Risiken bewertet werden. Das Versicherungswesen ist ein klassischer Fall, bei dem die Risikobewertung auf Branchen-, Unternehmens- und Einzelaktivposition zu deutlich unterschiedlichen Risikopositionen führen kann.

    Der unternehmensindividuelle ökologische Fußabdruck könnte als gering bewertet werden, aber die reale Exponierung hinsichtlich Klimarisiken hängt von der Art und dem Standort der Kapitalanlagen und des gezeichneten Geschäfts ab. Wenn beispielsweise ein Versicherer eine Windkraftanlage versichert, kann der betriebliche CO2-Fußabdruck gering sein (obwohl der gesamte CO2-Fußabdruck auch von den beschafften Materialien und der Bauweise abhängt), aber die Anlage ist dennoch einem physischen Klimarisiko ausgesetzt. Bei der Bewertung des mit einer Windkraftanlage verbundenen Investitionsrisikos müssen sowohl das physische als auch das transitorische Risiko auf der Ebene der einzelnen Anlage als auch die umfassenderen makroökonomischen Risiken und Kreditrisiken des Klimawandels berücksichtigt werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Klimarisikoanalyse sowohl die Top-down- als auch die Bottom-up-Dynamik sowie die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Risiken berücksichtigt.

    Versicherer müssen bewährte Analysetools, externe Modelle zur Modellierung von Naturkatastrophen und auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Methoden miteinander verbinden, um ihr Klimarisiko auf Unternehmensebene angemessen zu quantifizieren. Beispiele für mögliche Ergebnisse sind die Bewertung und Kartierung von Gefahren und Klimarisiken, die Bestimmung von gefährdungs- und klimabereinigten finanziellen Verlusten und die Integration der Analyse in bestehende Tools und Modelle zur Unterstützung von Bereichen wie Pricing, Underwriting (Leben und Nichtleben), Risikomanagement, Reservierung und Aktuarielle Funktion.

    Die Herausforderung der Quantifizierung erstreckt sich auch auf Szenarioanalysen, mit deren Hilfe die kurzfristigen (z. B. Schadensaufwendungen für Hurrikane, Überschwemmungen, Wind sowie die Auswirkungen auf das wirtschaftliche Risiko) und langfristigen (z. B. Anstieg des Meeresspiegels, Häufigkeit von Unwetterereignissen, langfristige wirtschaftliche Faktoren sowie demografische Faktoren wie Sterblichkeit und Morbidität) Auswirkungen der Maßnahmen zur Anpassung und Verbesserung der Resilienz bewertet werden können.

    Die Entwicklung von Szenarien für den Klimawandel besteht aus zwei Teilen. Erstens, die Festlegung ausgewählter Temperatur-, Zeit- und Übergangspfade (z. B. die Klimaszenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)), die sich auf das Ausmaß der Erwärmung innerhalb eines bestimmten Zeitraums und die Fähigkeit von gesetzlichen Regelungen und Wirtschaft beziehen, mit der gewünschten Änderungsrate Schritt zu halten. Zweitens, die Übersetzung dieser Auswirkungen in ein Format, das auf das Basisrisiko angewandt werden kann, und zwar auf alle Instrumente und Modelle, die die Branche bereits verwendet, damit die Klimaauswirkungen auch in die entsprechenden finanziellen Auswirkungen übersetzt werden können (d. h. Klimarisiko- oder Schadenszenarien).

    Entscheidend ist, dass die Quantifizierung so schnell wie möglich beginnt, in dem Bewusstsein, dass sich Modellierungstechniken parallel zur Klimawissenschaft weiterentwickeln - daher sollte die Arbeit flexibel und beweglich sein, um die Verflechtung von physischen und Übergangsrisiken zu erfassen und analytische "Black Boxes" zu vermeiden.

  2. 02

    Den Unterschied zwischen allgemeinen, bisher schon auftretenden und klimabedingten Großschäden verstehen

    In gewisser Weise sind Klimarisiken für Versicherer nicht neu; sie lassen sich auf bestehende Kategorien finanzieller und nichtfinanzieller Risiken wie Kredit-, Markt-, Geschäfts-, Betriebs- und Rechtsrisiken übertragen, die Versicherer seit vielen Jahren managen. Da Klimarisiken jedoch systemisch sind, müssen die Risiko- und Chancenregister aktualisiert werden, wobei physische Klimarisiken, Übergangsrisiken und potenziell vorhersehbare Veränderungen bei Rechts- und Haftungsrisiken ausdrücklich berücksichtigt werden müssen. 

    Die Versicherer werden auch davon profitieren, wenn sie beginnen, eine proaktivere Rolle einzunehmen, insbesondere auf der Vermögensseite der Bilanz, z.B. durch verbesserte und robuste ESG-Offenlegungen und die Nutzung von Stimmrechten.

  3. 03

    (Fortführung der) Integration des Klimarisikos in das Risikomanagement

    Da sich Risiken aus dem Klimawandel mit so vielen Risikokategorien überschneiden, muss das Risikomanagementsystem von Versicherern und Rückversicherern ganzheitlich sein und den Risikoappetit für Klimarisiken und -toleranz festlegen, die als "Leitprinzipien" dienen, wenn es darum geht, die Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen abzuwägen. Klimagerechte Enterprise Risk Management (ERM)-Rahmenwerke werden Folgendes umfassen:

    Governance - einschließlich der Rolle des Vorstands bei der Beaufsichtigung von Klimarisiken und die Reaktionen auf Ereignisse sowie die Festlegung der Verantwortung des Managements für Klimarisiken und ESG-Integration.  

    Risikoidentifizierung - Identifizierung der wichtigsten Kanäle, über die sich Klimarisiken auf das Unternehmen auswirken können, einschließlich Reputation, und wie Klimarisiken artikuliert, überwacht und laufend kommuniziert werden.  

    Risikobereitschaft und -toleranz - Festlegung der akzeptablen Risikohöhe (z. B. Tail-Risiko), einschließlich der Frage, ob das Klimarisiko als separates Risiko oder als Teil des Gesamtrisikos betrachtet werden sollte und schließlich ob Aggregate ausreichend sind. 

    Risikomessung und -berichterstattung  - einschließlich der Frage, wie das Klimarisiko in Modelle und -berichte aufgenommen werden kann, und der Entscheidung über relevante Daten und Messgrößen für die Entscheidungsfindung und Überwachung. 

    Aktives Exposuremanagement - Abstimmung von Zeichnungs- und Anlagestrategien mit kurzfristigen und langfristigen Risiken und Chancen. Dazu können gezielte Investitionen in Unternehmen gehören, die über einen glaubwürdigen Übergangsplan verfügen, oder die Entwicklung innovativer neuer Produkte zur Deckung grüner Industrien, von denen viele noch in den Kinderschuhen stecken.

    Auswirkungen der Anpassung - Bewertung, wie sich die Geschäftsrisiken und -chancen durch den Übergang auf künftige kohlenstoffneutrale Klimaszenarien entwickeln könnten.

  4. 04

    Definition von Datenanforderungen als Teil der umfassenderen Überlegungen zu Risikomanagement, Underwriting, Investitionen und Berichterstattung

    Wie in so vielen anderen Bereichen des Versicherungswesens ist die Datenqualität (auf der "richtigen" Ebene) von zentraler Bedeutung für ein effektives Management von Klimarisiken. Versicherer müssen sowohl die relevanten internen Datenquellen als auch die externen Daten identifizieren, die mit der Klimastrategie übereinstimmen und die Geschäftsabläufe bei der Umstellung unterstützen. Zu den Instrumenten, die WTW entwickelt hat, um Klimagesichtspunkte in Underwriting oder Kapitalanlage zu integrieren, gehören z.B. der Climate Transition Value at Risk, Climate Transition Pathways (CTP) und der Climate Transition Index.

    Beispielsweise mögen die Risiken ein Kohlekraftwerk als einzelnes Risiko zu versichern klar sein, jedoch ist auch hier eine integrierte Sicht erforderlich, da die bloße Ablehnung der Deckung auch zu Arbeitslosigkeit oder einer Verschärfung sozialer Ungleichheit führen kann. Aber was ist mit der Mehrheit der kleineren Risiken oder, für Rückversicherer, mit proportionaler Rückversicherung? Es ist nicht möglich, ein Portfolio erfolgreich zu bewerten und glaubhaft zu vertreten, dass man zur Klimaneutralität beiträgt, wenn man nur sein eigenes Portfolio klimaneutral gestaltet. Die Versicherer müssen den Wandel messen, den sie mit ihrem Handeln bewirken.

    In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, eine angemessene Datenanforderung für ESG-Kriterien zu definieren, festzulegen, wer für die Eingabe dieser Kriterien in das bestehende Data-Warehouse-System zuständig ist, und das Data-Warehouse so anzupassen, dass es zugänglich und überwachbar ist. 

  5. 05

    Entwurf einer Struktur zur Überwachung von Klimarisiken und -chancen 

    Das Klimarisiko ist für die Versicherer ein Unternehmensrisiko und erfordert Strategiemaßnahmen in mehreren Bereichen, wie z.B. Personal, Risiko und Kapital. Daher ist es erforderlich, dass sich sowohl die Führungskräfte im gesamten Unternehmen für die Entwicklung einer kohärenten Strategie engagieren als auch, dass spezifische Ziele (z. B. Vergütungsziele) festgelegt werden, um die Erreichung von Klimaneutralitätszielen und umfassender ESG-Zielen zu unterstützen. 

    Das soll nicht heißen, dass Versicherer alles in einem Jahr schaffen können - weit gefehlt.  Aber es besteht sicherlich die Möglichkeit, die Verantwortung und die Befugnisse für die Ausrichtung des Unternehmens auf seine Klima- und ESG-Ziele zu klären. Da dies auch bedeutet, dass man sich fragen muss, ob die Unternehmenskultur und die Werte diese Ziele unterstützen, ist es sinnvoll, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass Ihre Mitarbeiter mit Ihnen in Richtung Klimaneutralität gehen.

  6. 06

    Berichte und Engagement zu Klimaneutralität 

    Ein guter erster Schritt ist aus unserer Sicht die Erstellung eines ersten TCFD-Berichts (Taskforce for Climate-related Financial Disclosure). Auf der G7-Konferenz im Vorfeld von COP26 wurde vereinbart, dass dies bis Ende 2025 ohnehin verpflichtend sein sollte - und einige Länder sind diesem Zeitplan bereits voraus. Ein echter, vielleicht unterschätzter Vorteil sich mit dem TCFD-Berichtsrahmens zu beschäftigen, besteht darin, dass er die Unternehmen dazu zwingt, viele der in diesem Artikel angesprochenen Punkte auf strukturierte Weise und innerhalb einer bestimmten Frist anzugehen, einschließlich des Einsatzes von Szenarioanalysen, um die künftige, sich verändernde Risikolandschaft besser zu verstehen.

    Für viele Versicherer wird die ESG-Transparenz auch einen positiven Impuls für den Ausbau von Kundenbeziehung geben. In der Regel gibt es nur einen begrenzten Kontakt mit dem Versicherungsnehmer - beim Abschluss der Police, bei der Erneuerung oder im Schadensfall. Die Bindung zwischen Unternehmen und Versicherungsnehmern könnte durch das Klima- und ESG-Engagement eine andere Ebene erreichen. Sie könnte genutzt werden, um eine wechselseitige Interaktion mit Kunden und anderen Stakeholdern zu schaffen, die von den Unternehmen erwarten, dass sie sich engagieren und ihren Teil zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen.

Das Ende des Greenwashings

COP26 hat vielleicht nicht alles erreicht, was sie erreichen sollte, aber es wurden einige wichtige Meilensteine in der Wahrnehmung und Einstellung zur Bekämpfung des Klimawandels gesetzt. Es gab konkrete Zusagen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2010 zu reduzieren; die Überprüfung der Verpflichtungen der Länder zur Emissionsreduzierung wurde von alle fünf Jahre auf jedes Jahr verkürzt; und das Wort "klimaneutral" wurde zum ersten Mal in das endgültige Abkommen aufgenommen. Vor allem aber signalisierte die Vereinbarung, dass Unternehmen und Institutionen nicht mehr von einem Scheinkrieg gegen das Klima ausgehen können.

Für die Versicherer hat es weitreichende Veränderungen in der Art und Weise, wie Unternehmen in Zukunft geführt werden müssen, verdeutlicht. Es ist also an der Zeit die Weichen zu stellen - z. B. wer die Verantwortung trägt, welche Daten und Szenarien relevant sind, welche Modelle verwendet werden und welche Strategien zu verfolgen sind -, damit jedes einzelnen Unternehmen seine Klimareise antreten kann.

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EMEA Life Climate Risk Lead
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