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Artikel | InsureBlog - was Versicherer bewegt

Datenstrategie für Versicherer – Wer braucht denn sowas?

Von Dr. Gero Nießen | 3. Dezember 2021

Jeder Versicherer, der auch in zehn Jahren noch erfolgreich im Markt agieren möchte, braucht eine Datenstrategie. Wenn Sie die Gründe kennen wollen, lesen Sie gerne weiter!
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Versicherer haben im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen bereits sehr früh damit begonnen, Daten systematisch zu erheben und auszuwerten. Das ist nicht weiter verwunderlich, da ja die Preise für Versicherungsprodukte zu einem großen Teil durch das versicherte Schadengeschehen bestimmt werden. In den vergangenen Jahren zeichnet sich allerdings eine deutliche Trennung ab zwischen den Unternehmen, die sich mit einem „Weiter so“ zufriedengeben und denen, die sich durch eine explizite und mit Leben gefüllte Datenstrategie immense Vorteile verschaffen. 

Wer ist zuständig für eine Datenstrategie?

Für die Erstellung einer Datenstrategie ist eine übergreifende Zuständigkeit wesentlich, die neben relevanten IT-Kenntnissen auch profunde Einblicke in die Funktionsweise von Produktmanagement, Aktuariat, Schadenbearbeitung und Vertrieb hat. Manche Unternehmen haben in diesem Zusammenhang dedizierte Funktionen wie die des Chief Data Officer (CDO) geschaffen. Neben den konkreten Anforderungen aus der Geschäftsstrategie gehen bei der Erstellung einer Datenstrategie auch Überlegungen ein wie

  • Was wollen wir in drei, fünf oder zehn Jahren erreichen (und daher heute beginnen, dafür die relevanten Daten zu erheben)?
  • Welche Entwicklungen prägen andere große Versicherungsmärkte und welche davon haben das Potential, auch auf unseren Markt „überzuschwappen“?
  • Was geschieht in anderen Industrien und wie beeinflusst das die Erwartungshaltung unserer Kunden?
  • Welche Fähigkeiten müssen unsere Mitarbeiter (weiter)entwickeln, damit unsere Organisation sich an die neuen Gegebenheiten anpassen kann?

Was sind konkrete Ergebnisse einer Datenstrategie?

Die Antwort hängt natürlich von der Qualität der Strategie ab, aber wir wollen anhand von drei Beispielen aus der Schaden-/Unfallversicherung aufzeigen, welche Chancen sich bieten:

Beispiele aus der Schaden-/Unfallversicherung


  1. Die Grundlagen: Daten sauber und richtig erfassen

    Was sich so selbstverständlich anhört, ist leider in vielen Häusern noch immer kein durchgehender Standard, wie am folgenden Beispiel zu sehen ist: Als ich aus einer Mietwohnung in ein Einfamilienhaus umzog, habe ich dies meiner Hausratversicherung selbstverständlich mitgeteilt. Hierzu gehörte die neue Adresse, aber auch die veränderte Größe der Wohnfläche.

    Nach etlichen Jahren wollte ich die Fahrrad-Versicherungssumme ändern und rief daher den von seiner Größe her wahrlich nicht unbedeutenden Versicherer an. Dabei erfuhr ich, dass ich laut den gespeicherten Daten noch immer in einer Etagenwohnung wohne. Die neue Adresse war zwar korrekt hinterlegt und es wäre ein Leichtes gewesen, über kostenfrei verfügbare Daten herauszufinden, dass es sich nur um die Adresse eines Einfamilienhauses handeln kann, doch offenbar war weder eine solche Prüfung vorgesehen noch waren meine neuen Daten mit der gebotenen Sorgfalt eingepflegt worden. Selbstverständlich kann mir der Versicherer dann keinen optimalen Versicherungsschutz anbieten. So verpasst er auch die Chance eines einfachen Up-Sells einer Elementardeckung für den Schutz meines Hausrats: Diese wäre für ein Einfamilienhaus, in dem sich auch im Keller Wohnräume befinden, sicher leichter zu verkaufen als für eine Mietwohnung im dritten Obergeschoss.


  2. Die Pflicht: Unterstützung des Vertriebs

    Gehen wir in ein Geschäft, um beispielsweise eine neue Couch zu kaufen, so ist es für viele selbstverständlich, nach einem möglichen Rabatt zu fragen. Aus Sicht des Verkäufers beginnt dann die Abwägung, wie weit eine Preisreduktion sinnvoll ist, einerseits vor dem Hintergrund einer zu erzielenden Profitabilitätsmarge, andererseits unter dem Blickwinkel, dass der Kunde bei Gewährung eines zu geringen Rabatts eventuell gar nicht in diesem Geschäft kauft. Im „klassischen“ Versicherungsvertrieb (Außendienst oder Makler) ist die Situation vergleichbar. Auch hier fragt der Kunde nach Rabattmöglichkeiten. In der Regel kennt der Vertrieb aber die Produktionskosten der Versicherung für den individuellen Kunden nicht – also die individuelle Schadenerwartung einerseits und die tatsächlichen Kosten für Vertrieb, Verwaltung und Schadenbearbeitung andererseits. Dadurch ist eine Abwägung hinsichtlich einer zu erzielenden Profitabilitätsmarge gar nicht möglich. Das ist nur durch die Verwendung modernster Pricing-Software möglich.

    Es bleibt die Frage nach der Abschlusswahrscheinlichkeit des Kunden (entweder bei dem Angebot der Tarifprämie oder einer rabattierten Variante): Eine Prognose ist mittels mathematischer Modelle sehr leicht möglich, wenn – Sie ahnen es bereits – die richtigen Daten zur Verfügung stehen. Das sind nämlich nicht nur die Informationen zu den in der Vergangenheit abgeschlossenen Versicherungsverträgen, sondern eben auch zu den nicht in einen Vertrag umgewandelten Angeboten! Und gerade hier hakt es häufig: Während die Verträge – nomen est omen – im Bestandsführungssystem landen, werden die nicht umgewandelten Angebote häufig nicht (systematisch) gespeichert. Damit entfällt die Möglichkeit, ein Modell zur Prognose der Abschlusswahrscheinlichkeiten zu erstellen. Mit einer zukunftsweisenden Datenstrategie wäre das nicht passiert!


  3. Die Kür: Nutzen unstrukturierter Daten

    Die meisten von uns kennen Daten vornehmlich in strukturierter Form, wie sie beispielsweise in einer Tabelle oder Datenbank vorliegen. Es ist offensichtlich, dass sie damit auch recht bequem zu verwenden und auszuwerten sind. Doch in allen Versicherungsgesellschaften schlummert noch ein weiterer großer Datenschatz: die unstrukturierten Daten. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Briefe von Versicherungsnehmern, mitgeschnittene Anrufe aus dem Callcenter oder Akten in der Schadenbearbeitung. Wenn wir über „Big Data“ und „Maschinelles Lernen“ reden, so sind diese Daten diejenigen, auf die Unternehmen den einfachsten Zugriff haben.

    Es ist zwar mit einem gewissen Aufwand verbunden, diese unstrukturierten Daten mittels Machine-Learning-Verfahren in strukturierte Formen zu bringen, aber es lohnt sich: So können aus Schadenakten mittels Text-Mining-Algorithmen wertvolle Faktoren abgeleitet werden, um zum Beispiel zukünftig bereits bei der Schadenmeldung zu prognostizieren, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Schaden im Laufe seiner Bearbeitungszeit einmal ein Großschaden werden wird. Diese Erkenntnis ermöglicht dann die frühzeitige Steuerung in eine spezialisierte Einheit, um den Schaden bestmöglich zu bearbeiten.


Fazit

An den Beispielen im vorangegangenen Abschnitt haben wir gezeigt, an welchen Stellen eine Datenstrategie das Unternehmen weiterbringt und wie vielschichtig das Verständnis für die Prozesse, Möglichkeiten und Visionen sein muss, damit eine Datenstrategie adäquat formuliert und – noch viel wichtiger – mit Leben gefüllt werden kann.

Wesentlich ist die strategische Fokussierung: Es gilt, Datenstrategien einzuführen und langfristig zu verfolgen, um echten Mehrwert zu generieren. Die Kombination der Anforderungen aus der Geschäftsstrategie mit den notwendigen Datengrundlagen, deren Erfassung, Aufbereitung und Auswertung ist ein relevanter Teil der Datenstrategie eines Versicherers. Ohne diese sind viele der in Aussicht gestellten Ziele der Gesellschaften nicht zu erreichen.

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