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Artikel | HR Perspectives

Fair Pay: Es gibt noch viel zu tun

Von Florian Frank | 16. Juni 2021

Unternehmen sollten in Sachen Fair Pay aktiver werden und an den Ursachen ungerechter Vergütung ansetzen. Dies wird durch die aktuelle Willis Towers Watson Studie untermauert.
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Fair Pay macht Unternehmen produktiver

Fair Pay ist nicht nur ein moralisches Gebot und eine juristische Anforderung, sondern auch eine Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg: Fair vergütenden Unternehmen fällt es leichter, Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden und deren Engagement und Performance zu steigern.

Weil das Thema Fair Pay für Unternehmen, Mitarbeiter und auch Investoren wichtig ist, haben Willis Towers Watson und das Fair Pay Innovation Lab im Rahmen einer breit angelegten Studie 2021 wiederholt untersucht, wie es um die faire Vergütung in Unternehmen bestellt ist und mit welchen Maßnahmen sie für eine faire Vergütung sorgen. Eine wichtige Erkenntnis: Der Gender Pay Gap ist in der Regel Ausdruck mangelhafter HR-Prozesse – von der Einstellung, über die Leistungsmessung bis hin zur Beförderung der Mitarbeiter.

Der Gender Pay Gap ist noch zu groß

Der unbereinigte Gender Pay Gap liegt in Deutschland aktuell bei 18 Prozent – dies auch, weil laut Studie 72 Prozent der Führungskräfte Männer sind. Zudem sind über 60 Prozent der ausgewiesenen Potenzialträger mit weiteren Karrierechancen Männer. Frauen gehen also auf der Karriereleiter verloren und erreichen noch zu wenig die höheren Gehaltsklassen. Ein weiterer entscheidender Knackpunkt: 36 Prozent der Frauen gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach und nur 8 Prozent der Männer – obwohl, wie andere Studien zeigen, viele Frauen mehr und viele Männer weniger arbeiten möchten.

Eine Chance, für Bewegung in Richtung Fair Pay zu sorgen, sollte eigentlich das Entgelttransparenzgesetz bieten. Allerdings gehen bei 40 Prozent der Unternehmen keine Auskunftsanfragen ein – und nur bei 5 Prozent der Unternehmen mehr als 25 Anfragen pro Jahr. Außerdem führten 2021 27 Prozent der Unternehmen keine entsprechenden Überprüfungen durch. Insofern hat sich durch das Entgelttransparenzgesetz nicht viel geändert.

Allerdings ist das Bewusstsein für Fair Pay in den letzten Jahren stark gestiegen und immer mehr Unternehmen befassen sich systematisch mit diesem Thema, auch unabhängig von der deutschen Gesetzeslage.

Eine Fair-Pay-Zertifizierung führt zu mehr Transparenz

Fair Pay braucht Orientierung. Deshalb haben Willis Towers Watson und das Fair Pay Innovation Lab sechs Fair-Pay-Grundsätze entwickelt. Dabei geht es um die Themen „gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit“, „finanzielle (Grund-)Absicherung für alle“, „leistungsgerechte Bezahlung“, „Chancengleichheit“, „Maßnahmen zur Förderung von Fair Pay“ und „Transparenz bei Gehalts- und Entwicklungsentscheidungen“. Die Studienteilnehmer sollten angeben, wie gut sie sich jeweils im Vergleich zum Markt aufgestellt sehen.

Durch die Bank haben sich die Teilnehmer bei jedem Thema ein überdurchschnittlich gutes Zeugnis ausgestellt. Dies kann daran liegen, dass an der Studie besonders engagierte Unternehmen teilgenommen haben – oder dass sie aufgrund wenig ausgeprägter interner Analysen noch nicht verstehen, dass sie in Sachen Fair Pay noch Handlungsbedarf haben, was übrigens für viele Unternehmen gilt.

Doch wie können Unternehmen die nötige Transparenz gewinnen und ihren Handlungsbedarf konkretisieren? Eines der Mittel ist eine externe Fair-Pay-Zertifizierung, die bereits 19 Prozent der Studienteilnehmer nutzen. Mit einem deutlichen Anstieg ist zu rechnen, weil eine Zertifizierung hilft, Strukturen und Prozesse anhand klarer Kriterien zu prüfen und zu verbessern und die Reputation als fairer Arbeitgeber zu steigern.

Tiefergehende Analysen kommen noch zu kurz

Den Gender Pay Gap zu berechnen und zu kennen, ist das eine – das andere ist, die Ursachen dafür zu verstehen. Immerhin gingen 40 Prozent der Studienteilnehmer dieser Frage näher auf den Grund; der Fokus lag dabei klar auf den Einstellungs- und Beförderungsprozessen, weniger jedoch auf tiefgreifenden Analysen, um etwa Talent-Blockaden aufzudecken oder zu erkennen, welche HR-Prozesse nicht geschlechtsneutral gestaltet sind.

Bislang werden professionelle multivariate Regressionsanalysen, um statistisch signifikante Unterschiede zu identifizieren, nur von einer Minderheit der Unternehmen (12 Prozent) genutzt. Dabei liegt in der detaillierten statistischen Analyse jedoch die Zukunft, um verlässliche Aussagen zu gewinnen und gezielte Maßnahmen ableiten zu können. Benutzerfreundliche Spezialsoftware erleichtert die Analysen dabei deutlich.

Unternehmen setzen auf Kommunikation und Kultur

Welche Maßnahmen haben die Unternehmen in Sachen Fair Pay ergriffen? Erfreulich ist, dass 57 Prozent der Studienteilnehmer aktiv zu Fair Pay kommuniziert haben, davon 44 Prozent im Zusammenhang mit ihren Unternehmenswerten. Mit den Werten sind wir beim Thema Kultur. Und dieses Thema war 67 Prozent der Teilnehmer das wichtigste, also die Fragen: Passt unsere Vergütung zu unseren kulturellen Werten? Und wie kann das Thema Fair Pay in die breitere D&I-Strategie eingebettet werden?

In diesem Zusammenhang spielen vor allem die Anpassung des Recruiting-Prozesses, die Veränderung der Führungskultur und der Führungskräftefähigkeiten sowie der Beförderungsprozess die wichtigste Rolle. Dies zeigt ganz deutlich, dass das eigentliche Fair-Pay-Problem nicht in den Gehaltsunterschieden für die gleiche Stelle liegt – sondern in den vorgelagerten Personalprozessen.

Natürlich ist es wichtig, die Gehaltsdifferenzen für gleichwertige Arbeit auszugleichen – dies machen auch alle Unternehmen; dies spielt jedoch eine untergeordnete Rolle, weil diese Differenzen erst einmal leicht beseitigt werden können. Für die nachhaltige Beseitigung von Gehaltsdifferenzen bzw. um neue Gehaltsdifferenzen zu vermeiden, müssen jedoch sowohl die dahinterliegenden Personalprozesse als auch die Unternehmens- und Führungskultur angepasst werden.

Der Weg zu Fair Pay ist gar nicht so schwer

Beim Thema Fair Pay gibt es also Licht, aber auch noch zu viel Schatten. Unternehmen können hier einiges mehr tun, um besser zu werden und ihre Wettbewerbschancen zu steigern. Zuerst braucht es dazu eine klare Analyse, etwa entlang der Fragen: Halten wir alle gesetzlichen Vorgaben ein? Wie hoch ist unser Gender Pay Gap? Wie stehen wir im Vergleich zum Markt da? Wichtig ist hier vor allem auch, dass sich die Unternehmen die Strukturen und Prozesse ansehen, die zu einer unfairen Vergütung führen.

Danach können sie geeignete Maßnahmen entwickeln und umsetzen – von einer ersten Anpassung der Gehälter bis zur Änderung der Ursachen für ungerechte Gehaltsunterschiede. Wichtig ist dabei auch, dass sie das Thema Fair Pay aktiv kommunizieren. Bei allem hilft eine Fair-Pay-Zertifizierung.

Dabei können die Unternehmen mit einem lokalen und Compliance-orientierten Ansatz schlank starten und dann Schritt für Schritt zu einem unternehmensweit integrierten und nachhaltigen Ansatz übergehen. Alles ist pragmatisch und zügig machbar. Und es lohnt sich – für Mitarbeiter und die Unternehmen.

Autor

Senior Director, Head of Work and Rewards Germany/Austria

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