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Blogbeitrag

Grosse Herausforderungen für Kranken- und Personenversicherungen

Welche Langzeitfolgen bringt die Corona-Pandemie?

Von Reto Ebnöther | 29. Mai 2020

Health and Benefits
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In der Versicherungswirtschaft herrscht grosse Verunsicherung über die mittel- und langfristigen Konsequenzen der Corona-Krise auf die Belegschaften der Kunden. Welchen Einfluss hat das Virus auf die Kranken-Lohnausfallversicherung, Unfallversicherung sowie die privaten Krankenkassenprämien? Die wirtschaftlichen Entwicklungen sind typischerweise ein entscheidender Faktor in Bezug auf diese Versicherungszweige. Trotz nach wie vor vieler Unbekannten wagen wir einen Ausblick. Eines ist bereits jetzt schon klar: Für viele Firmen wird die Erneuerung der Krankentaggeldversicherung zur Geduldsprobe und dazu finanziell belastend.

Das höchste Ziel des Schweizer Corona-Shutdowns war das Verhindern einer Überlastung des Gesundheitssystems. Glücklicherweise wurde dieses Ziel während der ersten Ansteckungswelle erreicht, unter anderem dadurch, dass planbare, nicht dringende medizinische Eingriffe verschoben wurden. Für den einen irritierend und für den anderen nachvollziehbar waren dann aber die Aufrufe der Spitäler, man solle mit «normalen Notfällen» nach wie vor in die Spitäler kommen. Es gäbe ausreichend Kapazitäten und kein Ansteckungsrisiko.

Welche Konsequenzen hat unser «Corona-Verhalten» auf die Krankenversicherung? Gibt es wirklich «nur» eine Verschiebung der Behandlungen und somit auch der Kosten? Oder finden ursprünglich geplante und notwendige Behandlungen nun gar nicht statt? Zum Beispiel weil sich die finanzielle Situation der betroffenen Person verändert hat oder sie die Behandlung nicht mehr als notwendig erachtet? Wie hoch sind die Kosten für die Corona-Behandlungen selbst und welches sind die mittel- und langfristigen Auswirkungen von Corona, sei es bezüglich der mentalen Gesundheit in der Gesellschaft oder auch in Bezug auf Langzeitschädigungen wegen nicht erfolgtem Notfallbesuch im Spital?

Den Krankenversicherern stehen unsichere Zeiten bevor. Die allbekannte Debatte rund um die stetige Kostenzunahme im Gesundheitswesen dürfte sich zumindest kurzfristig etwas verschieben. Die Corona-Pandemie selbst darf nicht als Grund für einen Prämienanstieg ins Feld geführt werden – denn die Krankenversicherer sind mit ausreichend Reserven ausgestattet. Hingegen wird es durchaus spannend sein zu beobachten, ob es Corona-bedingte Verhaltensänderungen gibt mit nachhaltig positivem Einfluss auf die Volksgesundheit oder ob das Gegenteil der Fall sein wird.

Nervöse Krankentaggeldversicherer: Welche Lohnausfallkosten bringen die kommenden Jahre?

Fast noch herausfordernder stellt sich die Situation bei der Krankenlohnausfallversicherung (Krankentaggeldversicherung) dar. Dieser Versicherungszweig bewegte sich schon vor der Corona-Krise in schwierigen Gewässern. Aufgrund der zunehmenden Anzahl psychischer Krankheitsbilder steigen die Ausfallkosten seit Jahren. Viele Versicherer sind immer noch damit beschäftigt, ihre Portfolios aus der Verlustzone zu führen.

Und jetzt kommt dieses Virus: Ähnlich wie bei der Krankenversicherung gilt, dass die direkt durch das Virus verursachten Lohnausfallkosten im Gesamtkontext nicht zu sehr ins Gewicht fallen. Ganz anders sieht es jedoch bei den Corona-bedingten Folgekosten aus. Nicht wenige Experten befürchten aufgrund des 2-monatigen Shut-Downs eine Erhöhung von psychisch und psychologisch bedingten Arbeitsausfällen. Mindestens so schwer wiegen steigende Krankschreibungen als mutmassliche Kollateralschäden des wirtschaftlichen Abschwungs sprich von Entlassungswellen. Unsicherheiten, Ängste aber auch (mentale) Mehrbelastungen sind allgegenwärtig, bei den Arbeitgebern wie auch beim Personal. Positiv beeinflussen allenfalls zusätzliche Freiheiten im Home-Office und wegfallender Pendlerstress die Krankheitsfolgen des «New Normal».

Die Taggeldversicherer sind auf jeden Fall aufgeschreckt und agieren bereits jetzt äusserst vorsichtig. Erste namhafte Risikoträger haben den Start der Verkaufssaison für die Erneuerungen per 1. Januar 2021 von Anfang Mai mindestens bis in den Juni verschoben. Dies verbunden mit der leisen Hoffnung, dass wir alle dann mehr wissen als heute. Für die tausenden von Firmenkunden mit ablaufenden Verträgen bedeutet das noch mehr Unsicherheit und möglicherweise Mehrarbeit. Denn wenn der bestehende Versicherer aufgrund negativer Erwartungen den Preis massiv anhebt und die Konkurrenz auf die Offertenabgabe verzichtet wird es schwierig, den Prämienanstieg im Rahmen zu halten und einen allfällig neuen Anbieter zu finden.

Jetzt mit den Verhandlungen starten kann existenziell sein. Firmen mit einem positivem Schadenverlauf, welche in einer (trotz der Corona-Pandemie) stabilen Branche tätig sind, können darauf vertrauen, dass die Versicherer an ihnen als Neukunden interessiert sind. Entsprechend erwarten wir in diesem Bereich interessante Erneuerungsangebote der breiten Palette der Anbieter.

Schon bei Firmen mit einem durchschnittlichen Schadenverlauf und/oder einer Tätigkeit, welche mutmasslich unter den Corona-Folgen zu leiden haben, wird die Erneuerung eine grosse Herausforderung. Wegen ihrer Schadensbelastung stehen diese sowieso schon im Fokus des Versicherers und nun müssen sie auch noch mit einem deutlichen Prämienanstieg rechnen. Mögliche Alternativen werden wohl stark limitiert sein. Es ist zentral, so früh wie möglich Klarheit über die eigene Situation zu erlangen.

Ganz schwierig wird es für Firmen mit einem negativen Schadensverlauf. Der Markt wird nur vereinzelte Angebote abgeben, in deren sehr vorsichtige (= teure) Kalkulation eine zusätzliche «Sicherheitsmarge» einberechnet wird. Das bedeutet: Noch höhere Prämienaufschläge. Eine Verdoppelung der Prämie wird keine Seltenheit sein. Zusätzlich kann es zu Leistungseinschränkungen kommen, zum Beispiel bei der maximal versicherten Lohnsumme oder durch Wegfall zusätzlicher Deckungen. Wir erwarten zahlreiche Situationen, in denen der aktuelle Versicherer als einziger ein Erneuerungsangebot abgeben wird. Die Verhandlungsmacht droht vollends beim Versicherer zu liegen. Einziges Erfolgsrezept: Offene, aber hartnäckige Verhandlungen mit trotz schwieriger Ausgangslage fundierten Argumenten und viel Geduld. Besonders hier lohnt es sich, so rasch wie möglich in die Erneuerungsverhandlungen einzusteigen. Einerseits, damit man weiss woran man ist. Andererseits um genügend Zeit zur Ausarbeitung einer guten Verhandlungsstrategie zu haben. Firmen, die Geduld haben, können auf eine Erholung des Marktes gegen Ende des Jahres hoffen. Bei Ausbleiben einer zweiten Infektionswelle steigt wohlmöglich der Risiko-Appetit des einen oder anderen Anbieters gegen Ende des Jahres.

Unfallversicherung bleibt stabil

Abschliessend noch ein paar Worte zur Unfallversicherung, denn auch diese wird von der Corona-Pandemie merklich beeinflusst. Aktuell verzeichnen die Versicherer weniger Unfälle – vor allem im Bereich der Nichtberufsunfälle. Da wir davon ausgehen, dass sich das Freizeitverhalten nach den Lockerungen langsam wieder auf dem alten Niveau einpendeln wird, sehen wir den Rückgang der Unfälle eher kurzfristig resp. einmalig für dieses Jahr. Daraus eine zukünftige Prämienreduktion abzuleiten, erachten wir als wenig realistisch.

Einige Berufssparten, z.B. in der Pflege werden durch die aktuellen Umstände mehr Berufskrankheiten anmelden. Diese sollten aber in einem sehr überschaubaren Rahmen sein und wir erwarten auch diesbezüglich keinen negativen Prämieneinfluss.

Author

Head of Health & Benefits Switzerland

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