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Artikel

"Die Underwriting-Kapazitäten kommen an ihre Grenzen"

Interview mit Robert Engels, Head of M&A Germany and Austria, Corporate Risk and Broking

Von Robert Engels | 15. Oktober 2021

Der Markt der Transaktionsversicherungen erfährt im laufenden Jahr 2021 einen nie gekannten Ansturm an Anfragen und zu versichernden Deals. Robert Engels erläutert die Trends.
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Herr Engels, vor fast genau einem Jahr haben Sie in einem Beitrag über die noch relativ kurze Historie der Transaktionsversicherung in Deutschland berichtet. Als Meilenstein bezeichneten Sie damals den Aufbau deutschsprachiger Underwriting-Kapazitäten im M&A-Bereich. Wie entwickelten sich diese seitdem? Können sie mit dem M&A-Boom 2021 noch mithalten …?

Seit Ende 2020 ist der M&A-Versicherungs-
markt in Deutschland im Ausnahmezustand.”

Robert Engels,
Head of M&A Germany and Austria, Corporate Risk and Broking

Der Auf- und Ausbau an deutschsprachigen Underwriting-Kapazitäten hält an und Versicherer sowie Managing General Agents (MGAs) bauen diese in Deutschland, aber auch in z.B. London oder Barcelona aus. Dennoch hat der Markt aktuell seine Schwierigkeiten, mit dem anhaltenden M&A-Boom Schritt zu halten. Seit Ende 2020 ist der M&A-Versicherungsmarkt in Deutschland im Ausnahmezustand. Ähnliches ist auch in anderen europäischen und internationalen Märkten zu beobachten. Der Ansturm an Anfragen und zu versichernden Deals ist kaum zu bewältigen.

Die Underwriting-Kapazitäten kommen an ihre Grenzen, was wiederum zu restriktivem Quotierungsverhalten bzw. zu vermehrter Ablehnung von Transaktionen führt – Transaktionen, die noch vor einem Jahr recht problemlos quotiert worden wären. Es liegt aber nicht an der fehlenden Bereitschaft oder veränderter Risikoeinschätzung der Versicherer/MGAs – es bleibt Ihnen bei der vorhandenen Personaldecke schlichtweg nichts anderes übrig, als die Anfragen nach Risikoappetit und Erfolgsaussicht zu filtern.

Meine Kollegin Janin Kauffmann, verantwortlich bei uns für M&A-Versicherungen, stellt gemeinsam mit ihrem Team fest, dass durch diese Entwicklung der Markt derzeit auch Schwierigkeiten hat, die M&A-typischen engen Zeitrahmen einzuhalten. Es kommt momentan vor, dass die Versicherer/MGAs bei Ausschreibungsprozessen das Nachsehen haben, da sie nicht in der Lage sind, sich zu einer geforderten Zeitschiene zu verpflichten. 

Dieses Verhalten der Marktteilnehmer hat es in der Vergangenheit schon häufiger gegeben, meistens gegen Ende eines Kalenderjahres. Die Vehemenz und vor allem die anhaltende Dauer, in der diese Dynamik im Moment vorherrscht, ist aber bisher einmalig. 

Zwar ist der deutschsprachige M&A-Versicherungsmarkt in den letzten zwölf Monaten weiter kontinuierlich gewachsen, aber bei der aktuellen Entwicklung besteht hier nach unserem Empfinden klar noch weiterer Bedarf, was Versicherungskapital, aber vor allem auch Investitionen in Underwriting-Ressourcen angeht. Nach unserem Wissen ist vor allem Letzteres bei vielen Häusern in Planung bzw. bereits in der Umsetzung.

Die Coronapandemie hat vieles verändert, nicht nur zum Negativen: So hat sie unter anderem einen Digitalisierungsschub in der Wirtschaft ausgelöst. Welche Effekte beobachten Sie in der „W&I-Industrie“?

Nach meinem Empfinden ist die Digitalisierung in unserem Markt bzw. unserer Nische der Versicherungsindustrie bisher nicht wirklich ein Thema. Der gesamte Prozess einer W&I oder anderer Transaktionsrisikolösungen war immer schon sehr „virtuell“. Insofern hat die Pandemie in unserem Umfeld keinen Digitalisierungsschub ausgelöst. Anders als in anderen Sparten der Industrieversicherung konnte der Betrieb bei allen Marktteilnehmern prinzipiell ohne Unterbrechung – meist dann im Homeoffice – fortgeführt werden. 

Der positive Effekt in unserem Markt war zumindest anfänglich eher inhaltlicher und preislicher Natur, da der zu Beginn der Pandemie starke Rückgang an Anfragen nach M&A-Versicherungslösungen zu einem größeren Risikoappetit und zu einem Preiswettbewerb unter den M&A-Versicherern/MGAs geführt hat. Der ab dem zweiten Halbjahr 2020 einsetzende Anstieg an Anfragen und Deals hat diese Entwicklung wie eben beschrieben vor allem seit Anfang 2021 vorerst umgekehrt. 

Als Makler haben Sie beste Sicht auf die Anbieterlandschaft, hauptsächlich bestehend aus Versicherern und MGAs. Was hat sich hier in den zurückliegenden zwölf Monaten geändert und welche Entwicklungen erwarten Sie für die Zukunft?

Wie schon angesprochen, haben sich aufgrund des durch die Pandemie ausgelösten Rückgangs an M&A-Transaktionen die Prämien und auch Deckungspositionen im zweiten und dritten Quartal letzten Jahres zunächst spürbar positiv für die Versicherten entwickelt. 

Als sich der M&A-Markt dann erholte und somit die Anfragen nach M&A-Versicherungslösungen anzogen, drehte sich diese Entwicklung langsam um und der Markt begann, sich zu verhärten – bei restriktiverem Underwriting-Verhalten und steigenden Prämien spricht man in der Versicherungsindustrie von einer Verhärtung des Markts. Da die Flut vor allem an klassischen W&I-Prozessen bisher nicht abriss, hält dieses verhärtete Marktumfeld bis dato an.

Wie gesagt: Der M&A-Versicherungsmarkt kann den Ansturm kaum verarbeiten. Daher ist unserer Meinung nach auch noch Raum für neue Player bzw. mehr Underwriting-Kapazitäten. Auch im Hinblick auf die Marktdurchdringung, also das Verhältnis zwischen abgeschlossenen Transaktionen und platzierten M&A-Versicherungspolicen, ist noch Luft nach oben. Nicht zuletzt deswegen steht der deutsche Markt bei Versicherern/MGAs ganz oben auf der Expansionsliste. 

Der M&A-Versicherungs-
markt kann den Ansturm kaum verarbeiten. Daher ist unserer Meinung nach auch noch Raum für neue Player bzw. mehr Underwriting-Kapazitäten.

Robert Engels, Head of M&A Germany and Austria, Corporate Risk and Broking


Wie sieht Ihr Blick auf die Prämienentwicklung aus?

Im Gegensatz zu 2020 ist das Prämienniveau durch die Bank weg leicht gestiegen. Spannend wird zu beobachten sein, was passiert, wenn sich der Markt wieder etwas beruhigt und gleichzeitig womöglich die Personaldecke bei den Versicherern/MGAs ausgebaut und stabilisiert wurde. Werden die Prämien dann bei gesteigertem Risikoappetit wieder günstiger? Oder wird die derzeitige Marktverhärtung längerfristig anhalten? Dafür könnte neben der gegenwärtigen Marktsituation auch die Entwicklung auf der Schadenseite sprechen, wo Schadenquoten bei den Versicherern/MGAs steigen – es gibt insgesamt nicht nur mehr Schäden, sondern auch das absolute Volumen der Schäden nimmt zu.

Stichwort Claims: In der Öffentlichkeit ist wenig bekannt über große Schadenfälle, noch weniger im deutschsprachigen Raum. Wie ist die Lage wirklich, und welche Entwicklung zeichnet sich hier ggf. ab?

Es stimmt schon, dass über die Schadenerfahrung im M&A-Versicherungsbereich weniger öffentlich bekannt ist als in anderen Versicherungssparten. Es werden tatsächlich nur wenige Statistiken und Berichte veröffentlicht. 

Es zeichnet sich aber ab, dass sowohl die Anzahl an gemeldeten Schäden als hauptsächlich auch deren Volumen in den letzten Jahren gestiegen ist. Ein Grund ist vor allem die gestiegene Anzahl an M&A-Policen, aber auch proportional ist die Anzahl an Schadenmeldungen im Verhältnis zu platzierten Policen nach oben gegangen. Viele Meldungen werden richtigerweise vorsorglich gemacht, um keine Meldeobliegenheiten zu verletzten. Schätzungsweise 20 Prozent der gemeldeten Schäden führen auch zu Schadenzahlungen. 

Wenngleich sich zeigt, dass die Schadenhäufigkeit und -höhe zunimmt, zeigt sich nach unserer Erfahrung, dass die Versicherer/MGAs grundsätzlich eine gute Schadenmoral beibehalten. Dies ist die essenzielle Grundlage für das Vertrauen in diese Versicherungslösungen und deren nachhaltigen Erfolg.

Dieses Interview erschien zuerst im Special M&A Insurance 2021 bei GoingPublic.

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Head of M&A Germany and Austria, Corporate Risk and Broking

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